Auf dem Weg zu neuen Ufern


Nach einem viel zu langen und teilweise quälenden Entscheidungsprozess wurden auf der Bundesebene - im Vermittlungsausschuss und dann nachfolgend im Bundestag und abschließend am 9. Juli 2004 im Bundesrat - die notwendigen Entscheidungen getroffen.

Zur Finanzierung hat der Bund sein Angebot revidiert und eine unmittelbare Entlastung des kommunalen Bereichs um 29,1 Prozent der Unterbringungskosten, die ansonsten zukünftig in vollem Umfang von den Kommunen zu finanzieren sind, zugesagt. Bleibt zu hoffen, dass die danach erfolgte Zusage zu Sonderförderungen an die neuen Bundesländer nicht zu Lasten des gerade vereinbarten Ausgleichs in den alten Bundesländern geht.

Optionen sollen in 69 Fällen im Bundesgebiet ermöglicht werden. Vier davon werden auf Rheinland-Pfalz entfallen. Da die notwendigen Beschlüsse bis zum 15. September 2004 gefasst werden müssen, kann man gespannt sein, in welchen Kreisen oder kreisfreien Städten es zu entsprechenden Diskussionen kommen wird. Ein alternatives Arbeitsplatzbeschaffungskonzept muss hinter der Option stehen.

In den Optionsfällen gelten die gleichen finanziellen Rahmenbedingungen wie bei einem Arbeitsgemeinschaftsmodell.

Das Kostenerstattungsprinzip zwingt zu einem ausdrücklichen, eigenen, gesonderten Nachweis der Kosten, die bei und durch die Umsetzung von Hartz IV entstehen. Das betrifft auch die eigenen Aufgaben der Landkreise – die Unterbringungskosten. Damit werden zukünftige Diskussionen über finanzielle Mehr- oder Minderbelastungen, beispielsweise auch im Rahmen der Kreisumlage, erleichtert.

Von den 24 Landkreisen in Rheinland-Pfalz werden also mindestens 20 mit einem Arbeitsgemeinschaftsmodell in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur – und hoffentlich den kreisangehörigen Städten, Gemeinden und Verbandsgemeinden – oder aber in der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Bundesagentur einerseits und der Landkreise andererseits, die Hartz IV-Gesetze umsetzen.

Stellt man sich vor, dass es nicht zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft kommt, so kann man dagegen nur die größten Vorbehalte geltend machen. Die verschiedenen Arten der Sozialleistungen, insbesondere natürlich die Unterbringungskosten einerseits und das Arbeitslosengeld II andererseits, stehen in einem engeren inneren Zusammenhang.

Unterschiedliche Zuständigkeiten dafür mit unterschiedlichen Ansprechpartnern - und vielleicht auch noch an unterschiedlichen Standorten - würden die Schwierigkeiten und Probleme der Umsetzung noch mehr vergrößern. Wie groß die Gefahr ist, macht das Beispiel einer Familie, die Sozialleistungen unterschiedlichster Art empfängt, deutlich:

Angenommen, der Familienvater wäre Arbeitslosengeld II-Empfänger, die gesamte Familie Empfänger von Unterbringungskosten, die Großmutter Empfängerin von Grundsicherungsleistungen aus Altersgründen und der Rest der Familie Empfänger von Sozialgeld. Dann müssen wir uns nur noch vorstellen, dass für jede dieser Leistungen eine andere Stelle an einem anderen Ort zuständig ist und die Betroffenen ständig unterwegs sind, um irgendwo Anträge zu stellen, zu unterschreiben, Unterlagen zu übersenden oder abzugeben usw. Das ist weder eine moderne, bürgernahe Verwaltung noch eine Organisationsstruktur, die intensiv und erfolgreich helfen und dafür sorgen kann, dass am Schluss deutlich mehr Personen als bisher in Arbeit vermittelt werden oder Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Deshalb kann man nur an die betroffenen Aufgabenträger – Bundesagentur und Landkreise – appellieren, durch den Einsatz der Sozialämter der kreisangehörigen Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden – für die Unterbringungskosten durch Delegation seitens der Landkreise, für das Arbeitslosengeld II im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft – die rechtzeitige Koordinierung und Abstimmung sicherzustellen.

Über Gespräche mit den örtlichen Organisationen der Bundesagentur wird sehr unterschiedlich berichtet: Teilweise deutliche Ablehnung, teilweise aber auch große Offenheit und Bereitschaft, örtlich oder regional abgestimmte Konzepte für die Umsetzung zu vereinbaren. Die Erkenntnis, dass es kein fest gefügtes, bundeseinheitliches oder landeseinheitliches Gesamtkonzept geben kann, das für jeden Bereich, jeden Landkreis, jede Gemeinde, Stadt oder Verbandsgemeinde oder jeden Bezirk der Bundesagentur passt, scheint sich allmählich durchzusetzen.

Gerade dazu ist auch das Land noch gefragt – beispielsweise wenn es um die Frage geht, welche Rechts- und Organisationsformen denn im Lande Rheinland-Pfalz zugelassen sind. Nachdem auf der Bundesebene die Hindernisse gegen privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Rechtsformen beseitigt worden sind, heißt es im Moment, dass es schwierig sein könnte, eine Arbeitsgemeinschaft mit der Bundesagentur auf der Grundlage des rheinland-pfälzischen Zweckverbandsrechts als Zweckverband oder als öffentlich-rechtliche Vereinbarung umzusetzen. Wenn das so wäre, können wir den Landesgesetzgeber nur herzlich bitten, schleunigst dafür zu sorgen, dass solche Hindernisse beseitigt werden.

Zu den landesrechtlich ebenfalls noch zu regelnden Fragen gehört auch die Delegationsmöglichkeit der Unterbringungskosten. Dazu gehört auch eine Regelung, ob und inwieweit eine finanzielle Beteiligung der kreisangehörigen Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden vorgesehen und akzeptabel ist. Der bisherige Ansatz der Beteiligung der kreisangehörigen Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden mit 25 Prozent an den Sozialhilfekosten ist eine „Interessensquote“ – die verwaltende Stelle soll selber auch ein finanzielles Interesse daran haben, Sozialhilfekosten möglichst nicht ausufernd zu bewilligen und zu gewähren. Nur wer tatsächlich Einfluss auf die soziale Leistung hat, hat auch Interesse, sie zu mindern und sollte sich an den Kosten beteiligen müssen. Das bedeutet, dass nur bei tatsächlicher Delegation auf die kreisangehörigen Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden auch eine finanzielle Beteiligung erwartet werden kann.


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 07/2004

Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes