GuSt 09/2025

Veränderungen im Umgang mit dem Wolf


Erfahrungen mit artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen zur letalen Entnahme

Im nationalen Recht dienen bislang § 44 BNatschG und § 45 BNatschG der Umsetzung von Art. 12 ff. FFH-Richtlinie. Ausnahmen von den besonderen artenschutzrechtlichen Verboten des § 44 BNatschG (Tötungs-, Störungsverbot) dürfen nur im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatschG von den dafür zuständigen Behörden gestattet werden.

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des BNatSchG vom 04.03.2020 (BGBl. I S. 440) wurde § 45a „Umgang mit dem Wolf“ neu eingeführt. Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel, die Rechtssicherheit bei der Erteilung von Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten zu erhöhen (BT-Drs. 19/11984). Dies soll den Vollzug der Bestimmungen des BNatschG durch die zuständigen Behörden der Länder erleichtern (BR-Drs. 243/19).

Wenn das schadensverursachende Tier nicht sicher festgestellt werden kann, dürfen nach § 45a Abs. 2 BNatSchG erforderlichenfalls auch mehrere Tiere eines Rudels oder das ganze Wolfsrudel entnommen werden. Der Abschuss muss aber in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit bereits eingetretenen Rissen stehen. 

Bislang sind in Deutschland nur wenige Ausnahmegenehmigungen für die letale Entnahme von sog. „Problemwölfen“ bzw. „verhaltensauffälligen Wölfen“ erteilt worden. Insbesondere das OVG Lüneburg hat sich mit den Voraussetzungen für eine derartige Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatschG befasst.

Den zuständigen nationalen Behörden obliegt die Darlegungs- und Beweislast. Sie haben nachzuweisen, dass es insbesondere unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse sowie der Umstände des konkreten Falls keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, um die Ziele zu erreichen, auf welche die fragliche Ausnahmeregelung gestützt wird. Der EuGH fordert in ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. Urt. vom 10.10.2019 – C 674/17 –, NuR 2019 S. 756, bezogen auf Finnland) den Nachweis in Form einer Alternativprüfung, dass es kein milderes Mittel gibt.

In einem ersten Anwendungsfall in Rheinland-Pfalz hat das VG Koblenz (Beschl. v. 17.12.2024 – 4 L1327/24.KO –) entschieden, dass Wölfe des sog. Leuscheider Rudels nicht getötet werden dürfen (vgl. LT-Drs. 18/11337). Die SGD Nord hatte eine für sofort vollziehbar erklärte, befristete Ausnahmegenehmigung zum Abschuss erlassen. Die Ausnahmegenehmigung wurde auf § 45 Abs. 7 BNatSchG und § 45a Abs. 2 und 4 BNatSchG gestützt. Nach Auffassung des VG Koblenz erweist sich die Ausnahmegenehmigung aus einer Reihe von Gründen als rechtswidrig, weshalb kein öffentliches Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung bestehe. Unter anderem sei unklar, ob es andere zumutbare und effektive Maßnahmen des Herdenschutzes als Alternative zur Tötung der unter strengem Artenschutz stehenden Wölfe gebe.

Die insbesondere mit § 45a Abs. 2 BNatschG verfolgte Zielsetzung, nämlich mehr Rechtssicherheit für die Anwendung der artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung im Umgang mit dem Wolf zu schaffen, kann nach den bisherigen Erfahrungen als verfehlt angesehen werden (vgl. Gläß/Brade, NuR 2021 S. 21). 

Neubewertung des rechtlichen Schutzstatus

Der Wolf genießt nach der Berner Konvention aus dem Jahr 1979 völkerrechtlichen Schutz. Im Dezember 2024 hat der Ständige Ausschuss der Berner Konvention dem Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt, den Schutzstatus des Wolfs von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu ändern.

Diese Änderung ist zum 07.03.2025 in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt ist der Wolf völkerrechtlich lediglich eine geschützte Tierart und keine streng geschützte Tierart mehr.

In der Folge kam es zu einer Herabstufung des Wolfs im europäischen Recht. Vormals handelte es sich um eine in Anhang IV der FFH-Richtlinie gelistete streng zu schützende Tierart. Für diese Tierarten ist gemäß Art. 12 Abs. 1 FFH-Richtlinie ein strenges Schutzsystem zu etablieren, wobei Abweichungen nur nach Art. 16 FFH-Richtlinie möglich sind. Die Herabstufung des Schutzstatus führt dazu, dass der Wolf nunmehr als in Anhang V der FFH-Richtlinie aufgeführte Art von gemeinschaftlichem Interesse behandelt wird, deren Entnahme aus der Natur unter Art. 14 FFH-Richtlinie fällt.

Maßgeblich ist insoweit die „Richtlinie (EU) 2025/1237 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2025 zur Änderung der Richtlinie 92/43/EWG des Rates in Bezug auf den Schutzstatus des Wolfs (Canis lupus)“ (ABl. L vom 24.6.2025). Ungeachtet der Änderung der FFH-Richtlinie steht es den Mitgliedstaaten frei, den Schutzstatus des Wolfs auf dem Schutzniveau für streng geschützte Tierarten weiterhin aufrechtzuerhalten.

In Deutschland legt der Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD (Mai 2025) fest, dass die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs unverzüglich in nationales Recht umgesetzt wird. Mit den notwendigen Änderungen des BNatschG soll für eine rechtssichere und zeitnahe Entnahme von Wölfen gesorgt werden. Der Wolf wird laut Koalitionsvertrag umgehend ins Jagdrecht aufgenommen und das BJagdG punktuell erneuert.

Auch der Bundesrat fordert in seiner Entschließung vom 11.04.2025 (BR-Drs. 119/25/Beschluss) zeitnahe Rechtsänderungen auf europäischer und nationaler Ebene.

Bedeutung des günstigen Erhaltungszustands

Der EuGH (Urt. vom 29.07.2024 – C 436/22 –, NVwZ 2025 S. 164 mit Anmerkungen von Roth-Weiß, NuR 2024 S. 617) stellt fest, dass Arten, auch wenn sie in Anhang V der FFH-Richtlinie aufgeführt sind und somit einer Nutzung unterzogen werden können, sich nicht zwangsläufig in einem günstigen Erhaltungszustand befinden. Es bestehen daher umfassende Überwachungspflichten, die zwingend neueste wissenschaftliche Daten berücksichtigen müssen (vgl. im Detail Roth-Weiß, NVwZ 2025 S. 168).

Befindet sich die Wolfspopulation in einem ungünstigen Erhaltungszustand, sind die zuständigen Behörden nach Art. 14 FFH-Richtlinie verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um den Erhaltungszustand der Art so weit zu verbessern, dass deren Population in Zukunft dauerhaft einen günstigen Erhaltungszustand erreicht (vgl. Roth-Weiß, a. a. O.). Eine Bejagung von Wölfen, die in Anhang V gelistet sind, steht dem entgegen. Sie wäre nach Auffassung des EuGH rechtlich grundsätzlich zulässig, wenn und solange sich die Wolfsbestände in einem günstigen Erhaltungszustand befinden.

Deutschland hat fristgerecht zum 31.07.2025 seinen Bericht zum Erhaltungszustand EU-weit geschützter Arten und Lebensräume an die EU-Kommission übermittelt. Der Bericht umfasst die Entwicklung der Jahre 2019 bis 2024. Die Bewertungen beziehen sich auf die drei in Deutschland vorkommenden biogeografischen Regionen (atlantisch, kontinental und alpin). Der Bericht schließt auch die aktuelle Bewertung des Erhaltungszustands des Wolfs in Deutschland ein.

Für die atlantische biogeografische Region (Nordseeküste, Teile von Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen) wird für den Wolf erstmals ein „günstiger“ Erhaltungszustand gemeldet. Hier hat sich die Wolfspopulation in den letzten Jahren deutlich positiv entwickelt. Für die kontinentale Region, also den Großteil der anderen Bundesländer einschließlich Rheinland-Pfalz, erfolgt hilfsweise (u. a. in Anbetracht der besonderen Dynamik) die Einstufung „unbekannt“. Eine abschließende Bewertung soll nach Überarbeitung der Bewertungsgrundlagen im Herbst 2025 vorgelegt werden. Dabei ist vorgesehen, künftig von der Möglichkeit einer jährlichen Aktualisierung der Bewertung Gebrauch zu machen. Der Wolf wird in der alpinen biogeografischen Region (Süd-Bayern) nicht bewertet und daher für die Region auch nicht im FFH-Bericht aufgeführt. Ziel der Bundesregierung ist es, die tatsächliche Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland differenziert und realitätsnah abzubilden. Umweltverbände kritisieren das Fehlen einer deutschlandweiten Gesamtbewertung des Erhaltungszustands. Laut FFH-Richtlinie dürfe eine Art nicht bejagt werden, wenn sie sich in einem national ungünstigen Erhaltungszustand befinde. Die Einstufung des Erhaltungszustands „unbekannt“ bedeute, dass weiterhin ein generelles Jagdverbot bestehen müsse.

Der Bundesrat hatte bereits in seiner Entschließung vom 11.04.2025 (BR-Drs. 119/25/Beschluss) die Bewertung und Meldung des Erhaltungszustands in der kontinentalen Region kritisch hinterfragt, da in diesem Bereich (Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) die meisten Wölfe Deutschlands vorkommen. 

Das derzeitige Bewertungssystem bilde für die Art Wolf nicht die reale Bestandssituation und -entwicklung ab. Dies würde Bestandsmanagementmaßnahmen auch nach einer Umlistung des Wolfs in Anhang V der FFH-Richtlinie konterkarieren und sei daher von der Bundesregierung dringend zu korrigieren.

In Rheinland-Pfalz teilt die Landesregierung die Auffassung des Bundesamts für Naturschutz, dass der günstige Erhaltungszustand für den Wolf in der kontinentalen Region derzeit nicht gegeben ist (LT-Drs. 18/12354). 

Landespolitisches Umdenken – Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht 

Über Jahre propagierte die rheinland-pfälzische Landesregierung im Umgang mit dem Wolf die Handlungsfelder „Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit“, „Förderung von Herdenschutzmaßnahmen“ und „Ausgleichszahlungen bei Nutztierrissen“. Noch im Januar 2025 wurde ein Antrag der CDU-Fraktion (LTDrs. 18/11255) mit dem Titel „Der Wolf muss ins Jagdrecht“ im Landtag von der Regierungskoalition abgelehnt.

Die Entscheidung im Frühjahr 2025, dass die Neufassung des Landesjagdgesetzes mit der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht verknüpft wird, dokumentiert insoweit ein grundlegendes landespolitisches Umdenken. „Verwaltungsökonomische Gründe“ und ein Vorgriff auf die sich in Entwicklung befindlichen Rechtsänderungen auf EU- und Bundesebene werden zur Begründung angeführt (LT-Vorlage 18/7501).

Auf diesem Weg soll ein Abschuss von Wölfen mit problematischem Verhalten perspektivisch erleichtert werden. Jagdausübungsberechtigte erscheinen als Personen für eine Entnahme aufgrund ihrer Flächenkenntnis, Flächenpräsenz, Ausrüstung und Ausbildung prädestiniert. Mit der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht geht rechtssystematisch auch eine Hegepflicht einher.

In das Landesjagdgesetz vom 09.07.2025 (GVBl. S. 275), das zum 01.04.2027 in Kraft tritt, wird ein eigener Paragraph § 8 „Sonderregelungen für den Umgang mit Wölfen“ eingeführt. Aufgrund der Regelung in § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG (Besitzverbote bei besonders und streng geschützten Arten), welche die Vorgaben des Art. 12 FFH-Richtlinie umsetzt, wird klargestellt, dass ein Aneignungsrecht für Jagdausübungsberechtigte in Bezug auf Wölfe nicht besteht.

Sie dürfen sich lediglich Fallwild zum Zwecke der Übergabe an die untere Naturschutzbehörde kurzfristig aneignen. Für den Wolf gilt eine ganzjährige Schonzeit. Bei Vorliegen einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG, auch i. V. m. § 45a Abs. 2 BNatSchG, gelten die ganzjährige Schonzeit, das Nachtjagdverbot, das Verbot von Nachtsichtgeräten sowie das Verbot der Jagdausübung in befriedeten Bezirken als aufgehoben, ohne dass die Jagdbehörde tätig werden muss.

Die Aufhebung des Elterntierschutzes ist möglich, wenn es um die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung geht. Jagdrechtliche Bestimmungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers einer zügigen Entnahme nicht entgegenstehen und es soll kein administrativer Mehraufwand bei den Jagdbehörden resultieren. Die Anonymität der Person, die zur Erlegung bestimmt wird und die einen Wolf erlegt hat, wird durch Ausnahme vom Landestransparenzgesetz gewährleistet. Bedarf es der Nachsuche eines krankgeschossenen oder verletzten Wolfs, so darf die Nachsuche nur durch anerkannte Führer von Schweißhunden erfolgen. Die Fütterung und Kirrung von Wölfen ist verboten (vgl. auch § 45a Abs. 1 BNatSchG). 

Die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht durch die Länder ist zulässig und widerspricht weder der Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch den – auch von den Ländern zu beachtenden – Vorgaben des Europarechts. Bislang haben fünf Bundesländer den Wolf in den Katalog der Tierarten aufgenommen, die dem Jagdrecht unterliegen, und gleichzeitig seine Bejagung durch eine ganzjährige Schonzeit unterbunden: Sachsen (2012), Niedersachsen (2022), Schleswig-Holstein (2023), Mecklenburg-Vorpommern (2024) sowie Hessen (2024).

Fazit

Auf rechtlicher und politischer Ebene sind grundlegende Veränderungen im Umgang mit dem Wolf im Gange. Das Umdenken trägt neben den Schäden in der Nutztierhaltung auch dem Umstand Rechnung, dass der Wolf im ländlichen Raum zunehmend das Sicherheitsempfinden der Menschen stört und seine Rückkehr vermehrt an gesellschaftlicher Akzeptanz verliert.

Erforderlich ist zum einen die Entwicklung eines Konzepts für ein europarechtskonformes, regional differenziertes Bestandsmanagement, das insbesondere den Anforderungen der FFH-Richtlinie und der anspruchsvollen Rechtsprechung des EuGH Rechnung trägt.

Zum anderen bedarf es einer Methode zur Bewertung des Erhaltungszustands, welche die reale Bestandsverbreitung und -entwicklung, speziell in der kontinentalen Region, stärker berücksichtigt.

Anderenfalls ist zu befürchten, dass die Absenkung des rechtlichen Schutzstatus sowie die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht mehr den Charakter einer Symbolpolitik einnehmen und weniger bei der realen Konfliktbewältigung helfen.