Der Ausgangspunkt ist bekannt: Die November-Steuerschätzung erbrachte nochmals ein deutliches Absinken der Prognosewerte und damit auch der zu erwartenden Steuereinnahmen des Landes im Landeshaushalt und damit ein Absinken der endgültig zu erwartenden Finanzausgleichsmasse sowohl für das Jahr 2002 als auch für die Folgejahre.
Die Perspektiven sind mehr als düster: Die Kommunen schieben im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs schon nach dem Stand von 2002 (einschließlich der noch aus 2001 bestehenden Überhänge) ein Defizit vor sich her, das im Rahmen der Abrechnung nach den Spielregeln des Kommunalen Finanzausgleichs ab dem Jahr 2003 auszugleichen gewesen wäre. Gleichzeitig ergeben sich aber im Kommunalen Finanzausgleich durch die Steuerschätzung und durch die erste 2003 in Kraft tretende Stufe der Steuerreform immer größere Löcher, die diese Bugwelle, die wir als Ausgleichsverpflichtung im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs vor uns her schieben, bis zum Jahre 2005 immer größer werden lässt. Erst im Jahre 2006 wird wiederum mit einem Wachstum der Steuereinnahmen gerechnet, das einen Ausgleich dieser Defizite ermöglicht.
Der Vorschlag des Landes war, den Unterschiedsbetrag aus dem Landeshaushalt den kommunalen Körperschaften zinslos zu kreditieren, um diesen internen Kredit dann ab dem Jahre 2006 zurück zu zahlen. Wenn man die Wachstumsquote des Jahres 2006 (und die Wachstumsquoten bis dahin) als realistisch betrachtet, dann würde sich dadurch eine unveränderte Finanzausgleichsmasse voraussichtlich nicht nur bis 2006, sondern sogar bis 2007 ergeben. Das erschien den Kommunalen Spitzenverbänden das kleinste Übel und deswegen haben sie zugestimmt, auch in dem Bewusstsein, damit zwischen Pest und Cholera gewählt zu haben.
Im öffentlichen Bereich hat niemand wirklich ernsthafte Erfahrungen damit und wohl auch keine Vorstellungen davon, was ein Haushalt mit auf sechs Jahre absolut fest fixierten Einnahmen - also ohne Steigerungsmöglichkeiten auf der Einnahmenseite - bedeutet. Das Risiko, dass die kommunalen Haushalte finanziell an die Wand gefahren werden, wird dadurch nicht kleiner. Wozu auch Risikominimierung: Wir sind schon an der Wand.
Das Schlimme ist, dass es keine positiven Tendenzen und keinerlei positive Perspektiven gibt. Immerhin haben wir Vorweihnachtszeit.
Auch sind die Jahre 2006 oder 2007 immerhin noch einigermaßen lange hin. Selbst die Aussagen der Bundesregierung, es ginge aufwärts, die Konjunktur würde anspringen, muss man an dieser Stelle - abgesehen vom Inhaltlichen - auch in Bezug auf die kommunale Finanzsituation hinterfragen: Ja, selbst wenn die Konjunktur anspringt? Die Gewerbesteuer ist dauerhaft vom Bundesgesetzgeber und den gewerblichen Unternehmen in Deutschland abgewirtschaftet worden. Sie ist Spielball der Unternehmensgestaltung, von Fusionen, feindlichen oder freundlichen Übernahmen, Notverkäufen und es ist nicht zu erkennen, dass irgend jemand das wieder ändern oder zurück drehen will. Der Finanzausgleich bleibt in den nächsten sechs Jahren unverändert - so oder so. Es wird sich also nicht entscheidend Positives tun.
Und auf der Ausgabenseite? Die Gewerkschaft ver.di hat für diese Lohnrunde, die ja noch läuft, eine 3 vor dem Komma gefordert. Selbst bei geringer Inflationsrate ist mit einer Steigerung von Ausgaben bei den Sachkosten zu rechnen. Also, wo soll da eine Minderbelastung bei den Ausgaben herkommen?
Das Land hat gerade in Kabinettsbeschlüssen Schritte zur Sanierung seines Haushalts eingeleitet - der Abbau von bisher 88 auf nun 45 Forstämter ist ja nur ein Teil dieser Maßnahmen. Und für die kommunalen Haushalte? Hat das gleiche Kabinett bei dieser Gelegenheit das Standardabbaugesetz, das Standardöffnungsgesetz, das Standardbeseitigungsgesetz, das Standardbefreiungsgesetz oder wenigstens ein Konzept zur Verringerung der Standards beschlossen? Mitnichten! Kein Wort aus der Staatskanzlei, über allen Dächern in Mainz ist Ruh'.
Kommunen haben sich in der Vergangenheit nicht flächendeckend über alle Maßen verschuldet. Spätestens jetzt werden sie in die Schulden hineingetrieben. Bund und Länder müssen - zugegeben - ihre Haushalte sanieren. Sie tun das, indem sie ihre Schulden bezahlen. Bei gemeindlichen Haushalten liegt das Problem nicht im Schulden bezahlen. Gemeinden durften nie einfach den Kredithahn aufmachen, wenn sie zu wenig Geld hatten.
Gemeinden haben nicht mehr das Geld, um Kindergärten, Schulen, Feuerwehr, Sportanlagen, Altenheime, Sozialhilfe und all die anderen Alltagsleistungen für ihre Bürger zu bezahlen. Deshalb werden ihre Schulden wachsen und wachsen und nicht, weil sie investiert haben oder investieren wollen. Und komme mir keiner mit Sparappellen und anderen „Stabilitätsvorgaben" für den kommunalen Bereich: Die Kommunen stehen an der Wand und wer unbezahlbare Rechtsansprüche der Bürger geschaffen hat, muss den Bürgern jetzt auch sagen, dass diese Rechtsansprüche nicht mehr zu bezahlen sind.
Derzeit läuft allerdings nur die Ausweitung, nicht etwa die Stagnation und schon gar nicht die Rückführung von Leistungen und Standards. Nochmals insoweit das Beispiel der Grundsicherung, das die Tendenzen des politisch verfolgten und gewollten Finanzierungssystems für den kommunalen Bereich deutlich macht: Die Grundsicherung wird den kommunalen Haushalten ab 1.1.2003 den Rest geben und in einem finanziellen Fiasko zuerst für die Kreishaushalte und in der Folge auch für die Haushalte derjenigen, die das alles finanzieren, die kreisangehörigen Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden, enden.
Derzeit läuft nach Berichten aus der Praxis die erste Welle der Versuche, Arbeitslose - und nicht nur Arbeitslose - zu Erwerbsunfähigen zu erklären, um sie aus der Arbeitslosenversicherung (versicherungsfinanziert) heraus zu bekommen und in die Grundsicherung. zu überführen, denn die ist schlicht aus den kommunalen Haushalten finanziert und dafür zahlt niemand Versicherungsbeiträge. Es gibt Stimmen, die halten die Methode für System.
Also muss man sich auch über die Stimmungslage von Kommunen, von Bürgermeistern und Kämmerern nicht wundern: Wo soll bei solchen Aussichten auch nur der Wille, sich selber zu helfen, herkommen? Und wie soll man das auch anstellen? Es hilft uns niemand und nicht wirklich nachhaltig. Der Schuldenberg, den die Kommunen in den nächsten Jahren anhäufen werden, wird steigen und steigen. Und irgendwann wird man uns den Vorwurf machen, wir hätten zu viel Geld ausgegeben.
Auch mit trüben Aussichten:
Zumindest für den persönlichen Bereich ein friedliches, etwas geruhsames und fröhliches Weihnachtsfest.
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 12/2002
Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes