Kommunal- und Verwaltungsreform: Programm zur Stärkung der Ortsgemeinden auflegen!


Dies soll für alle Ortsgemeinden unter 300 Einwohnern und alle bis 600 Einwohner, die in der politischen Besetzung von Ämtern, finanziell oder demografisch Probleme haben, gelten. Das Gutachten lässt offen, welche konkreten Schlussfolgerungen zu ziehen sind. Hier muss für die Politik ihr Auftrag gelten, gleichwertige Lebensverhältnisse vor Ort zu schaffen, anstatt die Hand an die Existenz einzelner Ortsgemeinden zu legen! Bekanntlich ist das Ehrenamt in kleineren Gemeinden besonders aktiv. Wir brauchen also für die betroffenen Ortsgemeinden ein Maßnahmenprogramm zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit. Auch brauchen wir Erleichterungen bei den Rahmenbedingungen. So könnte sowohl bei den Ortsgemeinden, als auch bei den sie bei der Verwaltung unterstützenden Verbandsgemeinden Entlastung zum Beispiel durch Befreiung der kleinen Ortsgemeinden von den Vorgaben der Doppik erzielt werden.

Während sich die öffentliche Debatte vor allem auf eine etwaige Neuordnung der Kreisstruktur sowie die Einkreisung von kreisfreien Städten anhand von verschiedenen Szenarien unterschiedlichster Intensität fokussiert, lohnt sich ein Blick auf die Aussagen fernab von Ideen zur Neugestaltung der kommunalen Landkarte. Entsprechend einer Forderung der kommunalen Spitzenverbände befasst sich ein Teil des Gutachtens mit einer Aufgabenkritik, welche sowohl die Landes- als auch die Kommunalaufgaben in den Blick nimmt. Leider ist gerade dieser Teil des Gutachtens qualitativ nicht in der gewünschten Weise untersucht worden, sodass es einen auch nicht verwundert, dass die Ergebnisse kritisch zu hinterfragen sind.

So soll nach Vorstellung der Gutachter – abgesehen von der Trägerschaft der Grundschulen – sämtliche Schulträgerschaft bei den Kreisen und (sofern es sie dann noch gibt) den kreisfreien Städten angesiedelt sein. Dann sei es einheitlicher! Warum das so wichtig sein soll, leuchtet ebenso wenig ein wie das Argument, dass es mehr Verbandsgemeinden und große kreisangehörige Städte gibt als Realschulen, Förderschulen oder Schulzentren benötigt werden und diese deswegen die Aufgabe nicht übernehmen sollen. Dass es durch die derzeitigen Trägerschaften bei den hauptamtlich geführten kreisangehörigen Verwaltungen Probleme gibt, wurde indes nicht festgestellt.

Auch die Behauptung, dass der Ausbau und die Unterhaltung von Gewässern dritter Ordnung keinen örtlichen Bezug aufweise und auf die Kreise übergehen sollte, wirft die Frage auf, ob den Teilgutachtern bewusst war, was genau unter dieser Aufgabe zu verstehen ist. In solchen Fällen sind vor Ort nicht selten intensive Abstimmungen und der notwendige Interessensausgleich gefordert. Allein schon, weil an Gewässern dritter Ordnung sich zahlreiche Durchlässe und Wirtschaftswege finden, die in der Unterhaltungslast der Verbandsgemeindeverwaltung liegen, würde eine Aufgabenverlagerung vor allem eines bedeuten: weniger Effizienz durch erhöhten Abstimmungsbedarf. Im Übrigen halten sich Fließgewässer nicht nur nicht an die Grenzen der Verbandsgemeinden, sondern interessieren sich auch nicht für die Grenzen der Landkreise – auch wenn das seitens der Gutachter anders gesehen wird.

Es bleibt zu hoffen, dass die Abgeordneten das Gutachten als das nehmen, was es gedacht ist: eine Grundlage für den politischen Diskussionsprozess. Eine Auseinandersetzung auch mit den Argumenten der kommunalen Stimme ist hier unabdingbar.

Nach dem Vorliegen des Gutachtens soll nunmehr ein weiteres zur Untersuchung des Potenzials interkommunaler Kooperationen in Auftrag gegeben werden. Es ist bedauerlich, dass diese Erkenntnis nicht schon zur ersten Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform bestand. Das hätte vor Ort vielleicht so manche schmerzhafte und nicht immer sinnvolle Fusion erspart.

Ein Fazit kann bereits jetzt getroffen werden: Auch die zweite Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform wird letztlich den Webfehler dieser Reform nicht beheben können. Mit dem Ansatz, in der ersten Stufe lediglich die Ebene der Verbandsgemeinden in den Blick zu nehmen und letztlich nur Gebietsreformen umzusetzen, wurde die Chance auf eine Reform aus einem Guss vertan. Der zweite Schritt wurde vor dem Ersten gemacht.


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 12/2018

Dr. Karl-Heinz Frieden
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes