Wer bestellt, bezahlt!


Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen

Große Bedenken gibt es bei der Frage, ob der im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien auf Bundesebene vorgesehene Rechtsanspruch ab 2025 auf Kindertagesbetreuung für Kinder im Grundschulalter tatsächlich umsetzbar ist. Es ist zu befürchten, dass bei den Eltern Erwartungen geweckt werden, die derzeit und voraussichtlich auch bis 2025 nicht erfüllt werden können. Ein Rechtsanspruch setzt eine auskömmliche Finanzierung voraus. Personal und Räumlichkeiten müssen vorhanden sein. Gerade die Erfahrungen bei der Einführung des beitragsfreien Kitaplatzes haben gezeigt, wie groß die Gefahr ist, dass eine komplette Gegenfinanzierung für die Kommunen nicht realisiert wird und das Personal schlichtweg nicht vorhanden ist. Es wurde auch schnell deutlich, dass die Schaffung eines Anspruchs gleichzeitig den Bedarf erhöht. Wurde einst davon ausgegangen, dass lediglich 35 Prozent der Eltern eine Betreuung für ihre Kinder vor dem dritten Lebensjahr wünschen, sind es nur wenige Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs bereits 60 Prozent.

Die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern wird Landessache sein. Hier brauchen wir ein mit den Kommunalen Spitzenverbänden abgestimmtes Konzept. Erforderlich sind zuverlässige Bedarfsanalysen sowie Aussagen des Landes, in welchem Umfang und mit welcher Qualität die Betreuung erfolgen soll und wie die Kostentragung ausgestaltet wird. Nach ersten Signalen des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums soll die Umsetzung auf Landesebene über das Förderprogramm Ganztagsschulen erfolgen.

Die Kommunen wissen, dass viele Eltern auch in der Grundschule – wie schon zuvor im Kindergarten – eine ganztägige Betreuung wünschen. Die Lösung kann aber nicht sein, dass man erst mal einen Rechtsanspruch verspricht und dann überlegt, wie man ihn umsetzt. Genau umgekehrt sollte verfahren werden. Das Land sollte mit den Kommunen in Rheinland-Pfalz die Eltern fragen: Was wollt ihr? Eine Nachmittagsbetreuung oder eine echte Ganztagsschule mit einem pädagogischen Konzept. Als Nächstes müssten dann entsprechend die Ganztagsschulen ausgebaut und dort, wo gewünscht, die Betreuung organisiert, finanziert und langfristig gesichert werden. Erst am Ende kann der Rechtsanspruch stehen. Es geht also nicht um das Ziel, sondern es geht um den Weg. Deswegen muss man auch bei der Ganztagsbetreuung in der Grundschule nach dem Motto verfahren: Nur das versprechen, was auch erreichbar ist.

Bundesteilhabegesetz – Ausgestaltung in Rheinland-Pfalz

Menschen mit Handicap eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Manches ist erreicht, aber vieles liegt noch vor uns: Vom barrierefreien Öffentlichen Personennahverkehr, dem behindertengerechten Zugang zum Internet, den inklusiven Ansätzen in den Schulen und mehr Chancen für die betroffenen Personen bei Ausbildung und Arbeit. Mit dem 2017 in Kraft getretenen Bundesteilhabegesetz wurde die Eingliederungshilfe aus dem System der Sozialhilfe herausgelöst und neue Strukturen, aber auch Inhalte geschaffen, um ein modernes Teilhaberecht nach der UN-Behindertenrechtskonvention zu entwickeln. Die Standards werden dabei von Bund und Land gesetzt.

Das Land plant nunmehr, dass für alle volljährigen Menschen mit Behinderungen ab dem 01.01.2020 das Land Träger der Eingliederungshilfe sein soll, für alle minderjährigen Menschen mit Behinderungen sollen künftig die Landkreise und kreisfreien Städte Träger der Eingliederungshilfe sein. Die Beibehaltung der bisherigen Regelung, wonach sich die Trägerschaft der Eingliederungshilfe nach den Kriterien ambulant/stationär richtet, ist spätestens ab dem 01.01.2020 nicht mehr möglich, weil diese Kriterien mit dem Bundesteilhabegesetz aufgegeben werden.

Das Bundesteilhabegesetz eröffnet zahlreiche gesetzgeberische Gestaltungsspielräume auf Landesebene, von denen Rheinland-Pfalz Gebrauch macht. Der vorgelegte Gesetzentwurf führt dazu, dass die kommunalen Steuerungsmöglichkeiten für die Gruppe der volljährigen behinderten Menschen auf null reduziert werden, gleichzeitig aber die Kommunen die Kosten hälftig zu tragen haben. Zusätzlich müssen die Kommunen das Personal kostenlos stellen, um das Gesetz entsprechend den Anweisungen des Landes umzusetzen. Das Land hingegen nimmt für sich damit heraus, sämtliche zukünftigen Entscheidungen beim Personenkreis der Volljährigen alleine zu treffen, aber nur die Hälfte der entstehenden Kosten zu tragen. Eine solche Regelung ist aus Sicht der Kommunalen Spitzenverbände nicht haltbar.

Die Feststellung der Landesregierung, dass die im Gesetzentwurf beabsichtigten Regelungen nicht zu einem konnexitätsrelevanten Tatbestand führen, zeigen, wie schwer die gesetzeskonforme Umsetzung des strikten Konnexitätsprinzips in Rheinland-Pfalz tatsächlich ist. Um eine solche Feststellung zu treffen, bedarf es einer umfassenden Bewertung des Gesetzentwurfs nach dem Konnexitätsausführungsgesetz sowie einer belastbaren Kostenfolgenabschätzung, die bisher den kommunalen Spitzenverbänden nicht vorgelegt wurde.

Die Städte und Gemeinden bekennen sich zu dem Ziel, mehr und bessere Teilhabe zu ermöglichen. Aber auch hier muss der Grundsatz gelten: Wer bestellt, bezahlt. Das heißt, vorrangig sind Bund und Land auch in der dauerhaften Finanzverantwortung. Dazu gehört insbesondere eine zuverlässige Kostenschätzung bei weiteren Verbesserungen.

Deswegen ist es nicht der richtige Weg, dass das Land trotz Neustrukturierung und Angebotserweiterungen jedoch in finanzieller Hinsicht stoisch bei alten Regelungen bleibt und damit die Kommunen mehr belasten will.


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 4/2018

Dr. Karl-Heinz Frieden
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes