Handlungsfähigkeit der Kommunen sichern – Bündnis für Bürokratieabbau schaffen


Auf der Mitgliederversammlung, die das 75-jährige Jubiläum des Verbandes würdigte, hat Bürgermeister Aloysius Söhngen turnusmäßig das Amt des Vorsitzenden des mitgliederstärksten kommunalen Spitzenverbandes in Rheinland-Pfalz übernommen. 

Der bisherige Vorsitzende, Bürgermeister Ralph Spiegler, betonte anlässlich der Amtsübergabe: „Die Gemeinden und Städte in Rheinland-Pfalz geraten an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Explodierende Energiekosten, Herausforderungen bei der Versorgungssicherheit, Inflation, Bewältigung der Corona-Pandemie, Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen sowie weiter steigende Flüchtlingszahlen und zunehmende Bedrohungslagen durch Cyberkriminalität haben die Kommunen in einen Dauer-Krisenmodus gebracht. Immer neue Problemstellungen müssen in Zeiten knapper kommunaler Kassen bewältigt und praxisgerechte Lösungen gefunden werden.
Inflationsbedingt werden die Steuereinnahmen zwar steigen, aber aufgrund der gleichzeitig explodierenden Ausgaben ist insoweit keine Entspannung zu erwarten. Dies ist gepaart mit der Erwartungshaltung, dass Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge, wie eine sichere Wasserver- und Abwasserentsorgung, bezahlbaren Wohnraum, ein ausreichendes Bildungs- und Betreuungsangebot in den Schulen und Kindergärten, aber auch Kultur- und Freizeitangebote oder einen gut funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr, unverändert und in gleichbleibender Qualität bereitgestellt werden.“

Söhngen sieht die Gemeinden und Städte im den nächsten Jahren vor immensen zentralen Herausforderungen: 
„Da ein Ende der Krisen kurzfristig nicht zu erwarten ist, müssen Land und Bund jetzt endlich Maßnahmen ergreifen, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern. Die Beschlüsse des Bund-Länder-Gipfels, wonach der Bund noch für das laufende Jahr 2022 zusätzlich 1,2 Mrd. Euro bereitstellt und für 2023 für die Vertriebenen aus der Ukraine 1,5 Mrd. Euro und 1,25 Mrd. Euro für die übrigen Asylbewerberinnen und -bewerber, sind ein wichtiges Signal und erleichtern den Kommunen die Haushaltsaufstellung für 2023. Wir erwarten, dass das Land die Mittel auch vollständig an die Kommunen weitergibt und nun endlich die erforderliche Reform des Landesaufnahmegesetzes angeht. Neben ad-hoc-Mitteln brauchen wir aber auch ein klares Bekenntnis, dass die Mehrkosten für die Flüchtlingsunterbringung, Versorgung und Integration von Bund und Ländern dauerhaft finanziert werden. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe muss auch gesamtgesellschaftlich getragen werden.“ 

Spiegler und Söhngen appellierten daher an das Land, Maßnahmen zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und Städte zu treffen: 
„Angesichts des spürbaren Personal- und Fachkräftemangels, weiterer Aufgabenzuweisungen durch Bund und Länder sowie überbordender Standards und Regulierungsanforderungen stehen die Kommunen bei ihrer Aufgabenerfüllung vor einer kaum zu bewältigenden Herausforderung. Wir benötigen eine Fokussierung auf das Wesentliche und eine Priorisierung der von den Kommunen zu leistenden Aufgaben. Ein unverändertes „Weiter so“ kann es nicht geben. Erforderlich sind ein Umdenken und ein neuer Realitätssinn. Die Grenze der gesamtstaatlichen Leistungsfähigkeit ist längst überschritten. Notwendig ist ein Bündnis für Bürokratieabbau. Wir brauchen eine schnelle Verständigung, wo bürokratische Vorgaben und Standards reduziert werden können. Das erwarten auch die Menschen. Dazu gehört zum Beispiel eine deutliche Beschleunigung von kommunalen Investitionsvorhaben. Bei wichtigen Investitionen, wie zum Beispiel dem Bau eines Kindergartens oder einer Schule, brauchen wir deutlich schnellere Verfahren und zum Beispiel auch einen Verzicht auf die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen und Klagen. Vorbild können insoweit die Regelungen sein, die zur Beschleunigung der Flüssiggasterminals erlassen wurden. Aber auch Standards müssen auf den Prüfstand. Um bei Bedarf mehr Kitaplätze schaffen zu können, müssen Personalausstattung oder Gruppengröße im Kindergarten hinterfragt werden, ob sie wirklich erforderlich sind oder es auch Alternativen gibt. Hier könnte es zum Beispiel sinnvoll sein, Hilfs-Fachkräfte zu gewinnen, die die Erzieherinnen und Erzieher entlasten und dafür die Gruppenstärken anzupassen.

„Wir brauchen eine Zeitenwende auch in der Politik. Damit wir alle gemeinsam gut durch die Krise kommen“, so Spiegler und Söhngen abschließend.


Pressemitteilung des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz vom 07.11.2022