Grußwort der Vorsitzenden: 75 Jahre kommunale Interessenvertretung – Kommunen schaffen Zukunft!


Ein Rückblick auf die letzten 75 Jahre zeigt, dass der Gemeinde- und Städtebund nie um seiner selbst willen existiert hat. Stets ging es darum, über verbesserte Rahmenbedingungen für die Kommunen die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern. Die ersten Jahre nach dem zweiten Weltkrieg waren die „Stunde der Selbstverwaltung“. Die Gemeinden und Städte standen neben dem Bevölkerungsverlust einer Vielzahl an Problemen gegenüber. Trümmerbeseitigung, Wiederherstellung einer verkehrs- und nachrichtentechnischen Infrastruktur, Arbeitsvermittlung, Sicherstellung der Bevölkerungsernährung, Verteilung von Wohnraum, soziale und gesundheitliche Fürsorge, aber auch Sicherstellung der Grundversorgung mit Wärme, Elektrizität, Wasser – dies waren die vordringlichsten Aufgaben der Gemeinden und Städte in den Gründungsjahren des Gemeinde- und Städtebunds. Gerade weil Deutschland gemäß dem Willen der Besatzungsmächte dezentralisiert werden sollte, kam den Kommunen die wichtige Aufgabe des Wiederaufbaus Deutschlands auf unterster föderaler Ebene zu. So ging es um die Mitwirkung an der Gesetzgebung, aber gerade auch um die Stellung der Gemeinden in der Finanzverfassung.So verwundert es auch nicht, dass der kommunale Finanzausgleich bereits auf der Tagesordnung der Gründungsmitgliederversammlung des Gemeinde- und Städtebunds stand. 

Mit der Verwaltungsreform und der Schaffung einheitlicher Verwaltungsstrukturen im kommunalen Bereich ging ein Schub von Aufgaben einher, die die Arbeit des Gemeinde- und Städtebunds in den gesamten 70er Jahren dominierte. Und bereits in dieser Zeit bildete sich eines der Markenzeichen des Gemeinde- und Städtebunds heraus: Ein Verband, der nicht nur Interessenvertretung ist, sondern auch ein Dienstleister für seine Mitglieder, der umfassende Beratung leistet, aber auch innovative Ideen der Gemeinden und Städte begleitet und voranbringt. 

Während der Finanz- und Wirtschaftskrise, die nach Jahrzehnten des Wohlstands 2008 viele unvorbereitet traf, wurden die Kommunen über Infrastrukturinvestitionen und ihr Kerngeschäft der Daseinsvorsorge zu einem echten Stabilitätsanker. Leider ist es nicht bei dieser einen Krise geblieben. Wenn die Menschen Angst haben, weil sie sich von Krisen wie Krieg, Inflation, Energieknappheit, Pandemien, Klimawandel und Wohlstandverlusten in ihrem Leben bedroht fühlen, suchen sie Sicherheit und Schutz. Den erwarten sie weniger von einer hohen politischen Ebene weit weg in Berlin, Brüssel oder Mainz, sondern in ihrem persönlichen Umfeld in der Stadt, in der Gemeinde und im Dorf. Wenn hier die Einrichtungen leistungsfähig sind und bleiben, die Schule gut ausgestattet ist, der Kindergarten die eigenen Kinder ordentlich betreut, die Versorgung mit Wasser, Strom und Wärme funktioniert und auch die Kultur und das Gemeinschaftswesen nicht zu kurz kommen, sind die Menschen durchaus bereit, gewisse Einbußen oder sogar Wohlstandsverluste zu akzeptieren.

Das funktioniert allerdings nur, wenn die Menschen das Gefühl haben, ihre Sorgen, Ängste und Nöte werden nicht nur gesehen, sondern auch beachtet und ihnen wird mit Gegenmaßnahmen Rechnung getragen.

Natürlich können keine Stadt, Gemeinde oder Dorf diese notwendigen Rahmenbedingungen aus eigener Kraft organisieren und gewährleisten. Deswegen braucht es gerade jetzt einen starken Spitzenverband, der die Interessen bündelt und kraftvoll gegenüber dem Land vertritt. Dabei geht es natürlich auch immer darum, die Gesamtinteressen und die gute Entwicklung des Landes insgesamt im Auge zu behalten. Auch insoweit gilt der Grundsatz: „Gemeinsam sind wir stark.“

Die Geschichte hat vor allem immer wieder gezeigt, dass es gerade in den lebhaften Zeiten der Veränderungen, Umbrüche und Krisen die Städte und Gemeinden sind, die das Land und die Gesellschaft stützen. Damals wie heute gilt der Grundsatz: „Ohne die Städte und Gemeinden ist kein Staat, also auch kein Land zu machen.“ Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen und zu kämpfen, dass dieses Grundprinzip nicht in Vergessenheit gerät, sondern in der Politik des Alltages umgesetzt wird. Gerade in Krisenzeiten ist dasnbesonders bedeutungsvoll.


Beitrag aus der Jubiläumsausgabe der Gemeinde und Stadt 2022

Aloysius Söhngen,
Alternierender Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz

Ralph Spiegler,
Alternierender Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz

Steffen Antweiler,
2. Stellv. Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz