Freigabe von Hirschen außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke (GuSt Oktober 2015)

Freigabe von Hirschen außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke (GuSt Oktober 2015)

Die Freigabe von Hirschen außerhalb der 13 Bewirtschaftungsbezirke für Rotwild unterliegt in Rheinland-Pfalz dem Genehmigungsvorbehalt der unteren Jagdbehörden. Diese üben landesweit ihre Entscheidungen allerdings in unterschiedlicher Art und Weise aus.

Gemäß § 13 Landesjagdgesetz (LJG) dürfen in Rheinland-Pfalz zur Vermeidung von Wildschäden Rot-, Dam- und Muffelwild nur innerhalb der für diese Wildarten gesondert abgegrenzten Bezirke bewirtschaftet werden. Die im Jahr 2013 in Kraft getretene Landesjagdverordnung (LJVO) legt in der Anlage zu § 11 die Grenzen dieser Bewirtschaftungsbezirke kartografisch fest. Innerhalb der wildartspezifischen Bewirtschaftungsbezirke ist die Hegegemeinschaft für die Erstellung der Gesamt- und Teilabschusspläne zuständig.

Die Gesamtabschusspläne gelten für den Einzugsbereich der Hegegemeinschaft, die Teilabschusspläne für die einzelnen Jagdbezirke und bedürfen der ausdrücklichen
Zustimmung der Jagdgenossenschaft bzw. des Eigenjagdbesitzers.

Außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke darf Rot-, Dam- und Muffelwild laut § 13 Abs. 1 LJVO nicht gehegt werden. Die Ausübung der Jagd ist nach § 13 Abs. 2 Satz 3 LJVO darauf auszurichten, dass alle vorkommenden Stücke der o. g. Wildarten innerhalb der Jagdzeit
erlegt werden. Die Erlegung von Hirschen der Klassen I und II (reife und mittelalte Hirsche) außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke wird unter den Genehmigungsvorbehalt der unteren Jagdbehörde gestellt.

Diese hat jedoch nach dem Wortlaut des Verordnungstextes ihre Einwilligung zu erteilen, wenn die Erlegung zur Schadensabwehr erforderlich ist. Die genannte Regelung ist auch Bestandteil der vorgegebenen Formblätter zur Abschussvereinbarung bzw. -zielsetzung.

Hierin heißt es: „Die jagdausübungsberechtige Person verpflichtet sich, alle vorkommenden Stücke von Rot-, Dam- und Muffelwild mit Ausnahme der Hirsche der Klassen I und II innerhalb der Jagdzeit unverzüglich zu erlegen und auf den Gesellschaftsjagden freizugeben.“

Die Abschussbeschränkung bei Hirschen der Klassen I und II dient, gemäß der Begründung des Verordnungsgebers, dem Ziel, den genetischen Austausch zwischen den Populationen verschiedener Bewirtschaftungsbezirke zu ermöglichen. Diese Regelung wurde im Zuge des Anhörungsverfahrens zum Entwurf der LJVO zwischen den Vertretern der Grundeigentümerverbände und des Landesjagdverbandes kontrovers diskutiert. Aus Sicht der Grundeigentümer wurde das Problem einer illegalen Hege außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke forciert.

Grundlegende Frage in diesem Kontext ist, unter welchen exakten Voraussetzungen die untere Jagdbehörde den Antrag eines Jagdausübungsberechtigten auf Erlegung der Hirsche Klasse I und II zu genehmigen hat.

Der Gemeinde- und Städtebund schilderte bereits im Herbst 2014 dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten diese Problematik. In dem Antwortschreiben von Staatssekretär Dr. Griese führt dieser aus, dass zur Schadensabwehr
das Verbot der Erlegung von Hirschen der Klassen I und II außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke hinter den Schutz des tatsächlich oder potenziell Geschädigten
zurücktrete. Er stellt weiter fest, dass ein Ermessensspielraum der Behörde nicht gegeben sei.

Die Einwilligung könne demnach nicht versagt werden, wenn eine Erlegung von Hirschen der Klassen I und II zur Schadensabwehr erforderlich sei. Konkret müsse der Antragsteller darlegen, dass für die Abwehr einer bestehenden Gefährdung die Erlegung des übrigen
Rotwildes nicht ausreichend sei. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit komme es nicht darauf an, dass eine Gefährdungssituation ausschließlich durch mittelalte oder alte Hirsche verursacht werden könne.

Allerdings hat das Verwaltungsgericht Koblenz in seinem Urteil vom 23.06.2015 (1K1226/14.KO) die behördliche Einwilligung an sehr konkrete Angaben über die eingetretenen Schäden geknüpft. Insbesondere führt das Gericht in der Urteilsbegründung aus, dass Angaben über Art und Umfang der zu verzeichnenden Wildschäden, ihrer Ursachen sowie zum Wildaufkommen und der Intensität der Bejagung Voraussetzung für eine Bewilligung seien.

Diese Forderungen sind aus Sicht des Gemeinde- und Städtebundes allerdings nicht praxisgerecht und erschweren die effektive und zielgerichtete Bejagung des Rotwildes. Die unteren Jagdbehörden, welche für die Genehmigung des Abschusses für Hirsche der Klassen I und II außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke zuständig sind, treffen außerdem vermehrt Entscheidungen, die nach der Auffassung des Gemeinde- und Städtebundes nicht immer mit den Zielen des Gesetz- und Verordnungsgebers in Einklang zu bringen sind.

Vielfach wird die Freigabe von Hirschen der Klassen I und II außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke nicht oder nur in geringem Umfang genehmigt. Insbesondere häufig praktizierte „Öffnungsklauseln“, nach denen dem Kreisjagdmeister von der unteren Jagdbehörde die Befugnis erteilt wird, über zusätzliche Freigaben zu entscheiden, haben keine gesetzliche Grundlage.

Die durch Rotwild verursachten Wildschäden nehmen nach den Berichten aus der Praxis in vielen Landesteilen zu. Der überwiegende Schaden trifft die waldbesitzenden Gemeinden. Die hohen finanziellen Verluste, die insbesondere diese Gemeinden erleiden, können nur selten ausgeglichen werden. Durch die vielerorts überhöhten Wildbestände ist eine ordnungsgemäße und nachhaltige Forstwirtschaft oftmals nicht mehr möglich.

Um eine effektive Schadensabwehr zu ermöglichen, ist eine einheitliche Freigabeerteilung erforderlich. Bei der Bejagung des männlichen Rotwildes außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke darf zudem die Ausprägung von Geweihmerkmalen keinerlei Berücksichtigung finden. Eine Staffelung nach Anzahl oder Geweihmerkmalen bei der Genehmigung von Freigaben der Klasse I und II-Hirsche außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke durch die unteren Jagdbehörden widerspricht der Intention des Gesetzgebers, Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung durch das Wild und insbesondere Wildschäden zu vermeiden (vgl. §§ 2, 3 LJG).

Die momentane Verunsicherung, in welchen Fällen und in welchem Umfang Freigaben von den unteren Jagdbehörden zu genehmigen sind, zeigt, dass es hier einer weitergehenden praxisgerechteren Auslegung des § 13 LJVO bedarf. Ziel muss es sein, in Rheinland-Pfalz an die landschaftlichen und landeskulturellen Gegebenheiten angepasste Wildbestände zu entwickeln. Dies wird jedoch nur gelingen, wenn alle Beteiligten in ihrem Zuständigkeitsbereich einen Beitrag hierzu leisten.