Beschlussfassung in der Jagdgenossenschaftsversammlung (GuSt Oktober 2012)

Beschlussfassung in der Jagdgenossenschaftsversammlung (GuSt Oktober 2012)

Organe der Jagdgenossenschaft sind die Jagdgenossenschaftsversammlung und der Jagdvorstand. Die Jagdgenossenschaftsversammlung ist das oberste Organ, dem eine umfassende Zuständigkeit für alle Angelegenheiten der Jagdgenossenschaft zukommt. Ihre Beschlüsse bedürfen nach § 11 Abs. 4 LJG sowohl der Mehrheit der anwesenden und vertretenen Mitglieder der Jagdgenossenschaft als auch der Mehrheit des Flächeninhaltes der bei der Beschlussfassung vertretenen Grundflächen.

Dieses Erfordernis der doppelten Mehrheit setzt ein vollständiges und aktuelles Jagdkataster voraus, das Auskunft darüber gibt, welche Grundeigentümer der Jagdgenossenschaft als Jagdgenossen/Mitglieder angehören und welche Grundflächen den einzelnen Jagdgenossen zuzurechnen sind.

Grundsätzliche Festlegungen

Nach § 11 Abs. 4 LJG bedürfen Beschlüsse der Jagdgenossenschaft, gemeint ist die Jagdgenossenschaftsversammlung, einer doppelten Mehrheit, nämlich

  • der Mehrheit der anwesenden und vertretenen Jagdgenossen (Stimmen-/Personenmehrheit) und
  • der Mehrheit des Flächeninhalts der bei der Beschlussfassung vertretenen Grundfläche (Flächenmehrheit).

Bei der Beschlussfassung stimmt der einzelne Jagdgenosse nur einmal ab. Personen- und Flächenstimme sind einheitlich abzugeben. Ein wirksamer Beschluss der Jagdgenossenschaftsversammlung kommt nur zustande, wenn der Beratungsgegenstand gleichzeitig die Personen- und die Flächenmehrheit findet. Fallen Personen- und Flächenmehrheit auseinander, handelt es sich weder um Zustimmung noch um Ablehnung, sondern es liegt kein wirksamer Beschluss vor. Das Erfordernis der doppelten Mehrheit besteht auch bei einer weiteren Abstimmung über den gleichen Beratungsgegenstand in der nächsten Jagdgenossenschaftsversammlung fort. Führen alle Bemühungen zu keinem wirksamen Beschluss, ist es Sache der Staatsaufsicht, Maßnahmen zu ergreifen.

Das Erfordernis der doppelten Mehrheit gilt für alle Abstimmungen in der Jagdgenossenschaftsversammlung, auch für Wahlen. Es soll einer ausgewogenen Berücksichtigung der Eigentümer und ihrer Grundflächen dienen. Entscheidungen der Jagdgenossenschaft sollen weder von einigen wenigen Eigentümern großer Grundflächen noch von einer Vielzahl von Eigentümern kleiner Grundflächen allein bestimmt werden.

Die Jagdgenossenschaftsversammlung ist die Versammlung der anwesenden und der vertretenen Jagdgenossen. Ihre Beschlussfähigkeit erfordert nicht, auch nicht nach § 8 der Mustersatzung, dass eine bestimmte Zahl von Jagdgenossen anwesend oder vertreten ist. Eine ordnungsgemäß einberufene Jagdgenossenschaftsversammlung kann, ohne Rücksicht darauf, ob sie gut oder schlecht besucht ist, wirksame Beschlüsse für alle Jagdgenossen fassen.

Lediglich im Hinblick auf den Reinertragsanspruch des einzelnen Jagdgenossen ist die Einschränkung des § 12 Abs. 2 Satz 2 LJG zu beachten.

Stimmen-/Personenmehrheit

Jedem Jagdgenossen steht für seine Eigentumsfläche im gemeinschaftlichen Jagdbezirk eine Stimme zu. Auf die Größe und Qualität seiner Grundfläche kommt es dabei nicht an. Die Gemeinde, die nach § 9 Abs. 5 LJG auf die selbstständige Nutzung ihres Eigenjagdbezirks verzichtet, hat als Jagdgenosse gleichermaßen eine Stimme wie der private Eigentümer eines Kleinstgrundstücks.

Im Hinblick auf die Stimmen-/Personenmehrheit liegt ein wirksamer Beschluss vor, wenn die einfache Mehrheit der anwesenden und vertretenen Jagdgenossen erreicht wird. Bei Stimmengleichheit kommt kein Beschluss zustande.

Miteigentümern und Gesamthandeigentümern steht als Jagdgenossen für ihre Grundflächen, wie dem Alleineigentümer, gemeinschaftlich eine Stimme zu. Das Stimmrecht kann gemäß § 8 Abs. 2 der Mustersatzung für Jagdgenossenschaften nur einheitlich ausgeübt werden. Ist nur ein Miteigentümer oder Gesamthandeigentümer anwesend, vertritt er die anderen ohne Rücksicht darauf, ob im Innenverhältnis Übereinstimmung besteht, wirksam mit. Sind mehrere Miteigentümer oder Gesamthandeigentümer anwesend und stimmen sie unterschiedlich ab, ist die Stimme als ungültig zu werten.

Flächenmehrheit

Im Hinblick auf die Flächenmehrheit geht es, wie bei der Personenmehrheit, um die einfache Mehrheit des Flächeninhalts der bei der Beschlussfassung vertretenen Grundflächen. Maßgeblich sind die Eigentumsverhältnisse zum Zeitpunkt der Jagdgenossenschaftsversammlung. Ein vollständiges und aktuelles Jagdkataster bildet die Grundlage.

Wird in der Jagdgenossenschaftsversammlung nicht offen abgestimmt, erhält gemäß § 8 Abs. 3 der Mustersatzung jeder Jagdgenosse einen Stimmzettel, auf dem die Anzahl der vertretenen Jagdgenossen sowie die eigene und die vertretene Flächengröße vermerkt sind. Die Stimmzettel werden durch zwei zur Geheimhaltung verpflichtete Jagdgenossen ausgezählt und anschließend versiegelt.

Über die erforderliche Flächenmehrheit kommt der Gemeinde als Jagdgenosse im Regelfall eine starke Stellung zu, insbesondere in Verbindung mit § 9 Abs. 5 LJG. Selbst wenn die Gemeinde bei der Feststellung der Personenmehrheit mit ihrer Stimme isoliert ist, verfügt sie häufig über mehr als die Hälfte der bei der Beschlussfassung vertretenen Grundflächen. Insoweit kann die Gemeinde allein keinen wirksamen Beschluss der Jagdgenossenschaftsversammlung herbeiführen, es kann aber auch kein wirksamer Beschluss gegen ihren Willen gefasst werden.

Stimmenthaltungen

§ 11 Abs. 4 LJG stellt, wie § 9 Abs. 3 BJagdG, bei der Beschlussfassung mit der erforderlichen doppelten Mehrheit auf die Anwesenden und Vertretenen ab. Stimmenthaltungen (oder ungültige Stimmen) werden demgemäß berücksichtigt und zählen bei der Feststellung der Mehrheit mit.

Eine Stimmenthaltung liegt immer dann vor, wenn ein anwesender (stimmberechtigter) Jagdgenosse weder mit Ja noch mit Nein votiert, d.h. es bedarf keiner Artikulation des Willens, sich „zu enthalten“. Dies führt bei allen Beschlussfassungen in der Jagdgenossenschaftsversammlung, auch bei Wahlen, zu der (für den Betroffenen wichtigen!) Besonderheit, dass sich die Stimmenthaltung nicht als das im Regelfall gewollte „neutrale Verhalten“, sondern wie eine Nein-Stimme auswirkt und die Ablehnung des Antrags zur Folge haben kann.

Das BVerwG (Urt. vom 19.07. 1984 – 3 C 29/83 –) hat die dargestellte Wertung von Stimmenthaltungen unmittelbar aus § 9 Abs. 3 BJagdG abgeleitet und daher die Notwendigkeit einer anderen Mehrheitsermittlung als im Vereinsrecht (§ 32 Abs. 1 BGB) gesehen. In den Entscheidungsgründen führt das BVerwG aus:

„Im Gemeinschaftsjagdbezirk steht die Ausübung des Jagdrechts der Jagdgenossenschaft zu (§ 8 Abs. 5 BJagdG). Damit wird jedem Jagdgenossen eine besondere Verantwortung bei der Erfüllung der im Jagdrecht vorgeschriebenen Verpflichtungen (vgl. § 1 BJagdG) auferlegt.

Das Gesetz erwartet von jedem Jagdgenossen, dass er sich bei Abstimmungen, die wesentliche Fragen der Art und Weise der Jagdausübung betreffen, also auch bei der Verpachtung des Gemeinschaftsjagdbezirkes, für ein Ja oder Nein entscheidet.“

Die aktuelle Mustersatzung für Jagdgenossenschaften schreibt in § 8 Abs. 3 vor, dass Stimmenthaltungen bei der Feststellung der Stimmenmehrheit mitzählen und nimmt in einer Fußnote auch ausdrücklich Bezug auf das zitierte Urteil. Eine von der Mustersatzung abweichende Regelung widerspricht höherrangigem Recht (vormals § 9 Abs. 3 BJagdG, jetzt § 11 Abs. 4 LJG) und ist daher nicht zulässig.

Die Frage, ob bei einer Beschlussfassung nach § 9 Abs. 3 BJagdG die Anwesenheit eines wegen eines Interessenkonflikts nicht stimmberechtigten Jagdgenossen einer Stimmenthaltung und damit einer Nein-Stimme gleichsteht, ist nach Auffassung des BVerwG (Beschl. vom 10.01.1989 – 3 B 78/88 –) eindeutig zu verneinen. Nur wer stimmberechtigt ist, also bei der betreffenden Abstimmung „eine Stimme hat“, kann sich der Stimme enthalten. Auch die Grundflächen können nur über die Stimmberechtigung eines Jagdgenossen für das Ereignis der Beschlussfassung ins Gewicht fallen; ein stimmrechtsloser Jagdgenosse kann keine Grundfläche vertreten.

Stimmrechtsübertragung

Aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 4 LJG wird deutlich, dass ein Jagdgenosse sein Stimmrecht nicht persönlich ausüben muss, sondern sich auch vertreten lassen kann. Nähere Regelungen bezüglich der Stimmrechtsübertragung finden sich weder im Gesetz noch in der Durchführungsverordnung, sondern bleiben der Mustersatzung vorbehalten. Eine individuell konzipierte Satzung der Jagdgenossenschaft kann hinsichtlich der Stimmrechtsübertragung grundsätzlich von der Mustersatzung abweichen.

Als formelle Vertretungsvoraussetzungen verlangt § 7 der Mustersatzung (lediglich) eine schriftliche Vollmacht. Für schriftliche Vollmachten gelten die §§ 164 bis 181 BGB. Grundsätzlich besteht eine erteilte Vollmacht so lange fort, bis sie vom Vollmachtgeber widerrufen wird. Kommt es bei den erteilten Vollmachten allerdings zu Auffälligkeiten, welche die wirksame Herbeiführung von Beschlüssen oder Wahlen in Frage stellen, kann die Jagdgenossenschaft verlangen, dass die Vollmachten speziell für eine konkrete Jagdgenossenschaftsversammlung ausgestellt werden (VG Trier, Beschl. vom 08.03.2007 – 2 L 187/07 –). Der Vollmachtgeber kann entscheiden, inwieweit er seinen Vertreter ermächtigt, für ihn in der Jagdgenossenschaftsversammlung tätig zu werden (Generalvollmacht oder Beschränkung auf bestimmte Handlungen).

Nach § 7 der Mustersatzung darf kein Jagdgenosse mehr als drei Vollmachten in seiner Person vereinigen. Die Begrenzung der Zahl der Vollmachten resultiert aus den in der Praxis durchaus bestehenden Missbrauchsgefahren („Einsammeln von Vollmachten bei uninteressierten Jagdgenossen“) und der damit einhergehenden Manipulationsanfälligkeit von Jagdgenossenschaftsbeschlüssen („Erlangung der Stimmen-/Personenmehrheit“).

Als persönliche Vertretungsvoraussetzungen verlangt § 7 der Mustersatzung ein bestimmtes verwandtschaftliches Verhältnis oder ein ständiges Beschäftigungsverhältnis oder eine Zugehörigkeit zu derselben Jagdgenossenschaft. Mit der Neufassung der Mustersatzung (Anlage 1 zur VV vom 23.02.2011) sind Lebenspartner den Ehegatten gleichgestellt worden sowie Personen, die eine Grundfläche land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich bewirtschaften, hinzugekommen. Die Regelung in der Mustersatzung schließt demgemäß aus, dass eine Vertretung durch jede volljährige, natürliche Person erfolgen kann, wie dies bei der Hegegemeinschaft zulässig ist. Das Erfordernis der schriftlichen Vollmacht gilt in jedem Fall.

Juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts werden durch ihre verfassungsmäßig berufenen Organe vertreten. Der Bürgermeister vertritt nach § 47 Abs. 1 GemO die Gemeinde nach außen, also auch in der Jagdgenossenschaftsversammlung, ohne dass eine Vollmacht erforderlich ist. Soll ein Mitarbeiter der Kommunalverwaltung die Interessen der Gemeinde als Jagdgenosse wahrnehmen, bedarf es hingegen einer Bevollmächtigung. Ein Ratsmitglied kann die Gemeinde nicht vertreten, auch nicht in der Jagdgenossenschaftsversammlung.

Die Gemeinde kann, wie jeder andere Jagdgenosse auch, bevollmächtigt werden und darf höchstens drei Vollmachten ausüben. Denkbar ist, dass der Bürgermeister als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde und auch als Privatperson an der Jagdgenossenschaftsversammlung mitwirkt. Empfehlenswert dürfte in diesem Fall allerdings sein, durch Stimmrechtsübertragung im privaten Bereich eine Trennung herbeizuführen.

Liegt Miteigentum oder Gesamthandseigentum vor, ist keine Stimmrechtsübertragung erforderlich. Gewährleistet muss lediglich sein, dass in der Jagdgenossenschaftsversammlung eine einheitliche Vertretung durch einen Miteigentümer oder Gesamthandseigentümer stattfindet.

Interessenkollision

Ein Jagdgenosse ist von der Abstimmung in der Jagdgenossenschaftsversammlung ausgeschlossen, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm selbst oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Jagdgenossenschaft betrifft. Sowohl aus dem Grundgedanken des für Vereine geltenden § 34 BGB als auch aus § 22 GemO lässt sich dies als allgemeiner Rechtsgrundsatz ableiten.

Bei festgestellter Interessenkollision hat der betreffende Jagdgenosse kein Stimmrecht. In der Konsequenz bedeutet dies, dass er bei der Ermittlung der Stimmen-/ Personenmehrheit und bei der Ermittlung der Flächenmehrheit als nicht anwesend betrachtet werden muss (OVG Niedersachsen, Urt. vom 02.06.1988 – 14 A 174/86 –), also quasi ignoriert wird. Er kann sich auch nicht der Stimme enthalten, da er über keine Stimme verfügt. Im Übrigen würde er bei einer Stimmenthaltung, die faktisch einer Nein-Stimme gleichkommt, gegen seine eigenen Interessen votieren.

Ist ein Jagdgenosse wegen Interessenkollision nicht stimmberechtigt, kann er dies nicht dadurch umgehen, dass er sich durch Vollmacht vertreten lässt oder selbst als Vertreter für andere Jagdgenossen an der Abstimmung teilnimmt.

Speziell im Hinblick auf die Beschlussfassung zur Jagdverpachtung ist die Anwendung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes zur Interessenkollision umstritten. Das Abstimmungsverbot für einen Jagdgenossen, der selbst als Pachtbewerber auftritt, wird in der kommentierenden Literatur teilweise für verfassungswidrig (Art. 14 GG) erachtet. Im Unterschied zum Stimmrecht eines Vereinsmitglieds sei das Stimmrecht des Jagdgenossen als Ausfluss des mit dem Eigentum an Grund und Boden untrennbar verbundenen Jagdrechts zu sehen.

Einzelne Landesgesetzgeber haben dieser Argumentation zwischenzeitlich Rechnung getragen und klargestellt, dass einem Jagdgenossen bei Verpachtungsbeschlüssen auch dann das Stimmrecht zusteht, wenn er sich selbst um die Pacht bewirbt (z.B. § 16 Abs. 4 NJagdG und hierzu VG Osnabrück, Urt. vom 08.04.2008 – 1 A 581/06, NVwZ-RR 2008 S. 773). Als Vorstandsmitglied darf ein Jagdgenosse allerdings nicht an Verträgen mit sich selbst mitwirken.

In der Praxis treten Fragen einer etwaigen Interessenkollision auch zwischen Gemeinde und Jagdgenossenschaft auf, da regelmäßig eine enge Verbindung in personeller und finanzieller Hinsicht besteht. Soweit es sich um die Wahrnehmung der Interessen der Gemeinde als Jagdgenosse in der Jagdgenossenschaft handelt, sind ausschließlich gemeindliche Interessen berührt. Wenn beispielsweise der Ortsgemeinderat im Vorfeld darüber befindet, für welchen Pachtbewerber die Gemeinde, vertreten durch den Ortsbürgermeister, in der Jagdgenossenschaftsversammlung votiert, sind Mitglieder des Jagdvorstandes, die dem Ortsgemeinderat angehören, nicht von der Mitwirkung ausgeschlossen.

Problematisch und im Einzelfall durchaus schwierig zu beurteilen sind Konstellationen, in denen die Interessen der Gemeinde einerseits und die Interessen der Jagdgenossenschaft andererseits aufeinandertreffen. Wenn beispielsweise die Ortsgemeinde den Verzicht auf die selbstständige Nutzung des kommunalen Eigenjagdbezirks gemäß § 9 Abs. 5 LJG widerrufen will, sind die Interessen der Jagdgenossenschaft unmittelbar berührt und deren Funktionsträger gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GemO von der Beratung und Entscheidung im Ortsgemeinderat ausgeschlossen.

Bei der Beschlussfassung der Jagdgenossenschaftsversammlung, ihre Verwaltungsgeschäfte auftragsweise der Gemeinde zu übertragen, ist die Gemeinde als Jagdgenosse nicht wegen Befangenheit ausgeschlossen (VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 05.11.1991 – 5 S 3149/90 –).

Gerichtliche Nachprüfung

Die Rechtsbeziehungen zwischen der Jagdgenossenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts und den einzelnen Jagdgenossen sind öffentlich-rechtlicher Natur. Jeder Jagdgenosse kann Beschlüsse der Jagdgenossenschaftsversammlung der gerichtlichen Nachprüfung im Verwaltungsrechtsweg unterziehen, wenn er die Verletzung von Normen geltend macht, die der Wahrung seiner Mitgliedschafts- und Mitwirkungsrechte dienen.

Der Beschluss der Jagdgenossenschaftsversammlung ist ein Willensbildungsakt, der darauf gerichtet ist, dass er durch den Vollzug zum Verwaltungsakt oder zum zivil-rechtlichen Rechtsgeschäft wird, der für sich selbst aber weder das eine noch das andere, insbesondere keinen Verwaltungsakt, darstellt. Die Mitwirkungsrechte des einzelnen Jagdgenossen bei der Selbstverwaltung und der Willensbildung in der Jagdgenossenschaft erstrecken sich nicht auf den Vollzug gefasster Beschlüsse. Geht es um das Jagdausübungsrecht, das der Jagdgenossenschaft allein und nicht dem einzelnen Jagdgenossen zusteht, handelt es sich um die Ausübung eines privaten Rechts.

Beschlüsse der Jagdgenossenschaftsversammlung sind nur dann Ausfluss hoheitlichen Handelns und damit Verwaltungsakte, wenn sie die Individualrechte des Jagdgenossen als Mitglied betreffen (OVG Niedersachsen, Urt. vom 24.05.2002 – 8 LB 43/01 –). Die Klage eines Jagdgenossen auf Feststellung der Ungültigkeit des Verpachtungsbeschlusses der Jagdgenossenschaftsversammlung ist demgemäß nur zulässig, sofern er die Verletzung von Mitgliedschafts- und Mitwirkungsrechten geltend macht.

Die Wirksamkeit des zivilrechtlichen Jagdpachtvertrages wird im Allgemeinen nicht dadurch berührt, dass der dem Vertragsabschluss zu Grunde liegende Beschluss des zuständigen Organs der Jagdgenossenschaft nicht rechtmäßig war (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 16.12. 1993 – 8 A 10439/93 –).

Mängel bei der Vorbereitung und der Durchführung von Beschlüssen der Jagdgenossenschaftsversammlung haben nur dann deren Unwirksamkeit zur Folge, wenn die geltend gemachten Fehler (z.B. fehlerhafte Beteiligung an der Abstimmung) das Beschlussergebnis beeinflusst haben oder beeinflusst haben können, es also bei richtigem Verfahren zu einem anderen Beschlussergebnis gekommen wäre oder hätte kommen können. Der Mangel muss sich auf das Ergebnis der Abstimmung kausal ausgewirkt haben (VG Osnabrück, Urt. vom 8.4.2008 – 1 A 581/06 –, NVwZ-RR 2008 S. 773).

Die Mitwirkung einer nicht stimmberechtigen Person macht den Beschluss nicht unwirksam, wenn sich ihre Beteiligung nicht auf das Ergebnis der Abstimmung ausgewirkt hat (OVG Niedersachsen, Urt. vom 24.05.2002 – 8 LB 43/01). Ein Jagdgenossenschaftsbeschluss ist nicht allein deshalb unwirksam, weil die Niederschrift über die Versammlung keine zahlenmäßigen Angaben über das Abstimmungsergebnis enthält (OVG Niedersachsen, Urt. vom 03.11.1983 – 14 A 86/81 –).

Im Unterschied zur Nichteinhaltung einer Ordnungsvorschrift hat die Verletzung einer zwingenden Verfahrensvorschrift (insbesondere Mindestladungsfrist, Eindeutigkeit der Tagesordnung, Nichtöffentlichkeit) auch dann die Rechtswidrigkeit des Beschlusses zur Folge, wenn sie ohne Einfluss auf das Abstimmungsergebnis geblieben ist.

Unabhängig von der gerichtlichen Nachprüfung hat jeder Jagdgenosse die Möglichkeit, sich mit seinem Anliegen unmittelbar an die untere Jagdbehörde zu wenden, welche die Rechtsaufsicht über die Jagdgenossenschaft ausübt.


Autor: Dr. Stefan Schaefer
Referent im Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz