Selbstnutzung der Jagd als Alternative zur Jagdverpachtung (GuSt Juli 2007)

Selbstnutzung der Jagd als Alternative zur Jagdverpachtung

Die Jagdgenossenschaft Oelsberg/Endlichhofen in der Verbandsgmeinde Nastätten fand im Jahre 2005 keinen Jagdpächter für ihren gemeinschaftlichen Jagdbezirk. Aus der Not heraus wurde die Selbstnutzung der Jagd als Alternative zur Jagdverpachtung entwickelt. Nunmehr kann über erste Praxiserfahrungen mit dem Regiejagdbetrieb berichtet werden.

Standörtliche Voraussetzungen/Lage

Das Revier Oelsberg/Endlichhofen liegt im Wuchsbezirk „Westlicher Hintertaunus" in Höhenlage von 280 bis 350 m Meereshöhe. Der überwiegende Teil des Reviers erstreckt sich westlich der Ortslage Oelsberg/Nastätten. Das Revier wird durch die B 254 durchschnitten.

Die zu bejagende Waldfläche gliedert sich zum einen in den Komplex des Gemeindewaldes Oelsberg mit 141,8 ha an der Süd-West-Grenze des Reviers und zum anderen in den Bereich des Gemeindewaldes Endlichhofen. Dieser stellt mit einer Fläche von 29 ha nicht viel mehr dar als eine "Waldinsel" inmitten ausgedehnter Ackerflächen. Das Relief erscheint als sanft geneigte Hügelfläche.

Reviergröße

Das Revier umfasst eine Größe von 620 ha bejagbarer Fläche, wovon 177 ha Wald sind.

Vorkommende Wildarten

Reh- und Schwarzwild. Selten Rotwild. Weiteres Niederwild mit nur gering nutzbaren Besätzen.

Der Wald

Die im Revier enthaltenen Waldflächen sind überwiegend mit Buche und Fichte bestockt. Eiche und Kiefer sowie Lärche sind in aller Regel einzeln beigemischt, Douglasien-Reinbestände sowie Eichen-Reinbestände sind auf kleine Flächen beschränkt. Ebenso sind Edellaubhölzer nur mit geringen Flächenanteilen vertreten.

Im Gemeindewald Oelsberg überwiegen die Altersklassen ab 80 Jahren mit 55% der Fläche. Insbesondere die Buchen-Althölzer weisen eine zufriedenstellende Naturverjüngung auf.

Der Gemeindewald Oelsberg lässt eine jährliche Nutzung von 1.019 fm und der von Endlichhofen von 192 fm zu.
In einigen Fichtenabteilungen sind bereits in den Stürmen der Jahre `84 und `90 Freiflächen entstanden, die sich in den letzten Jahren zu dichten Fichten-Dickungen entwickelt haben. Der Sturm ,Kyrill" dieses Jahres hat wiederum Freiflächen geschaffen, die jedoch bereits jetzt mit Fichten-Naturverjüngung bestockt sind.

Die Feldflur

Es überwiegen im Revier die Ackerbauflächen. Dauergrünland kommt nur entlang der Waldgrenze und in den Bachtälern vor.

Während in der Gemarkung Endlichhofen bereits in den letzten Jahren ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt wurde, liegt die letzte Flurbereinigung in Oelsberg schon Jahrzehnte zurück. In den beiden Orten sind 3 Vollerwerbsbetriehe zu Hause, die den größten Teil der Feldgemarkung bewirtschaften. Bei allen drei Betrieben handelt es sich um Milchviehbetriebe. Zwei weitere Milchviehbetriebe aus den Nachbargemeinden bewirtschaften größere Pachtflächen im Revierbereich. Daher kommt dem Anbau von Futtermais eine große Bedeutung zu.

Waldbesucher

Infolge der Nähe zu Nastätten wird das Revier täglich von Erholungsuchenden frequentiert. Dies geschieht zu Fuß, mit dem Fahrrad oder infolge der unmittelbaren Nachbarschaft zum Reitstall des Reit- und Fahrvereins Nastätten auch hoch zu Ross. Der Umfang der Erholungsnutzung nimmt jährlich zu. Auch der Umfang der privaten Holznutzung durch Selbstwerber hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Damit auch die Störungen am Wochenende. Im Revier liegen ferner zwei kleinere Fischteichanlagen, die tägliche Anfahrt erfordern, sowie am Rande des Reviers ein ehemaliger Steinbruch, der derzeit als Erddeponie genutzt wird.

Warum in Eigenregie?

Der Pachtvertrag mit dem letzten Revierpächter endete am 30.3.2005.

Zuvor versuchte der Pächter, den Pachtpreis mit Verweis auf die Störungen im Wald und die enormen Feldwildschäden zu mindern. Es stellte sich aber bald heraus. dass der Pächter längst Interesse an einem anderen Revier zeigte und dort auch bald ein Pachtverhältnis einging. Durch die vorangegangenen Pachtverhandlungen war die Jagdgenossenschaft für ein erfolgreiches Ausschreibungsverfahren sehr spät im Jahr. Potenzielle Interessenten hatten sich längst entschieden.

Auf die dennoch erfolgte Ausschreibung meldete sich nur ein Interessent, der jedoch auf Grund mangelnder Zeit von einem Pachtverhältnis Abstand nahm. Er ist heute Inhaber eines Jagderlaubnisscheins. Nunmehr stand die Jagdgenossenschaft im Zugzwang, die Jagd ausüben zu lassen.

Wer jagt?

Der forstliche Revierleiter ist von der Jagdgenossenschaft beauftragt, die Jagd auszuüben und ist gegenüber der Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises verantwortlich. Die Jagdgenossenschaft gibt entgeltliche Jagderlaubnisscheine aus. Die Jagderlaubnisscheine beinhalten die Erlegung und den Erwerb von 6 Stück Reh- und Schwarzwild gegen ein Entgelt von 1.200,00 Euro.

Die Jagdscheininhaher aus den Dörfern Oelsberg und Endlichhofen sind als Jagdgäste ohne Entgelt eingeladen, ebenfalls auf der Fläche zu jagen, wobei diese die im Revier anfallenden Arbeiten durchführen. Hier kann man auch mit „kleinerem Geldbeutel"` jagen oder mit wenig Zeit für Revierarbeiten.

Vermarktung der angefallenen Strecke

Das von den Inhabern der entgeltlichen Jagderlaubnisscheine erbeutete Wild gehört diesen, sofern die Zahl von 6 Stück Schalenwild nicht überschritten wird (siehe oben). Alles weitere Wild wird zu Gunsten der Jagdgenossenschaft Oelsberg/Endlichhofen vermarktet. Das Wildbret wird zum überwiegenden Teil in Oelsberg durch einen ansässigen Metzger zerwirkt und küchenfertig abgegeben. Hierdurch kann ein höherer Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden als bei der Vermarktung ganzer Stücke. 

Wildschadenssituation

Für die Jagdgenossenschaft ist zunächst die Wildschadenssituation im Feld entscheidend. Durch den konsequenten Verzicht auf Kirrung konnte der Feldschaden im Bereich Endlichhofen rasch reduziert werden. Die großen Maisschläge jedoch führen dazu, dass sich dort im Sommer wieder Schwarzwild einstellt.

Die im Rhein-Lahn-Kreis deutlich sinkenden Schwarzwildstrecken haben uns in den letzten Jahren geholfen, die Schäden gering zu halten, eine Bewährungsprobe steht aber noch aus. Bislang wird das Schwarzwild in der Feldflur konsequent bejagt, im Wald hingegen geschont.

Die Jagd insbesondere auf das Schwarzwild wird überwiegend während der Gesellschaftsjagden ausgeübt. Selbstverständlich wird bei den Gesellschaftsjagden auch Rehwild freigegeben.

Die Waldwildschäden haben ein Maß erreicht, bei dem die Verjüngung von Buche, Fichte, Kiefer und Douglasie ohne Probleme heranwächst. Das Ziel. auch die Verjüngung von Kirsche und Eiche ohne Probleme in ausreichender Anzahl vorzufinden, haben wir noch nicht erreicht.

Die Strecken der letzten Jahre weisen ein Ergebnis von 14 erlegten Stück Rehwild pro 100 ha Wald aus.

Welchen Vorteil hat die Jagdgenossenschaft von unserem Modell

Das Revier wird bejagt. Zweifellos ist das finanzielle Ergebnis für die Jagdgenossenschaft im Vergleich zum vormaligen Jagdpachterlös schlechter. Aber da kein Pachtangebot vorlag, ist „alles besser wie null".

Die Jagd wird so ausgeübt, dass Kollisionen mit den Waldbesuchern und dem Forstbetrieb ausgeschlossen werden. „Höflichkeit und Freundlichkeit allen Waldbesuchern gegenüber sind oberste Regel". Beschwerden über die Jagdausübung sind dem Jagdvorsteher noch nicht vorgetragen worden!

Die Jagd wird in der Gemeinde wieder erlebbar. Der Wildbretverkauf macht die gemeinschaftliehe Jagd im wahrsten Sinne des Wortes erfahrbar. Auch das Streckelegen am Abschluss eines Jagdtages in der Dorfmitte mit Hörnerklang und Fackeln trägt zur Akzeptanz unseres Modells bei.

Die Jagd orientiert sich an den Erfordernissen des Waldhaus. Die Ortsgemeinden sind größter Jagdgenosse und können über die Steuerung der Jagd die Entwicklung ihres Eigentums, des Waldes, maßgeblich beeinflussen.

Nachteile

Dieses Modell funktioniert nur mit engagierten und wohlmeinenden Mitstreitern.
Die Abstimmung untereinander ist aufwendig.
Die Jagdgenossenschaft trägt das Risiko des Wildschadens.
Das finanzielle Ergebnis ist geringer als das einer Verpachtung zu Preisen, die in der Vergangenheit gezahlt wurden. Dies führt immer wieder zu Diskussionen in der Öffentlichkeit.


Quelle: Gemeinde und Stadt Juli 2007

Autoren: Thomas Scholl
Bürgermeister der Ortsgemeinde Oelsberg in der Verbandsgemeinde Nastätten

Martin Janner
Revierleiter im Forstrevier Oberwallmenach