Kostenregelung in Wildschadenssachen (GuSt November 2008)

Kostenregelung in Wildschadenssachen

Wildschadensangelegenheiten sorgen in jüngerer Vergangenheit immer mehr für Streitigkeiten zwischen Geschädigten und Ersatzpflichtigen. Wohl wegen der zugrunde liegenden zunehmenden Häufigkeit und Intensität von Wildschäden gelingt es den Beteiligten vermehrt seltener, eine einvernehmliche Regelung über die Schadensregulierung zu finden. Insbesondere die Kostenregelung sorgt hierbei immer wieder für Unsicherheit. Dieser Aufsatz will dazu beitragen, diese Unsicherheiten zu beseitigen.

Rechtliche Grundlagen 

Nach § 35 Bundesjagdgesetz (BJagdG) können die Länder in Wild- und Jagdschadenssachen das Beschreiten des ordentlichen Rechtsweges von einem vorherigen Feststellungsverfahren vor einer Verwaltungsbehörde abhängig machen, das in einer vollstreckbaren Verpflichtungserklärung (Anerkenntnis, Vergleich) oder in einer vollstreckbaren Entscheidung (Vorbescheid) mündet. Hiervon hat das Land Rheinland-Pfalz zunächst mittels § 31 Landesjagdgesetz (LJagdG) Gebrauch gemacht. Neben der Notwendigkeit des Vorverfahrens wurden hier die Zuständigkeit, die nachfolgende Klage- frist (Abs. 1) und die Kostentragung (Abs. 2) geregelt. Die Regelungsbefugnis für das Nähere wurde auf das zuständige Ministerium übertragen (Abs. 3). Das vormalig zuständige Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten kam dem in § 60- 67 der Landesverordnung zur Durchführung des Landesjagdgesetzes (LJGDVO) nach.

Daneben enthält die Landesverordnung über die Gebühren der Jagdverwaltung (JagdGV) unter der laufenden Nr. 3 Gebührensätze für das Vorverfahren in Wild- und Jagdschadenssachen.

Kostenverteilung und Kostenfestsetzung 

Zum grundlegenden Verständnis der Kostenregelung ist es zunächst wichtig, eine klare Trennlinie zwischen der Kostenverteilung und der Kostenfestsetzung zu ziehen. Die Verteilung regelt, wer die festzusetzenden Kosten zu welchem Anteil zu tragen hat. Mit der Festsetzung wird dann die Höhe dieser Kosten geregelt.

§ 31 Abs. 2 LJagdG und 64 LJGDVO enthalten materiell-rechtliche Grundlagen zur Kostenverteilung. Sie erfolgt entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Parteien, wobei keine geringeren Anteile als ein Zehntel zu bilden sind.

Formelle Vorschriften über die Kostenregelung enthält § 62 LJGDVO, wonach die Niederschrift über die gütliche Einigung die Verteilung der Kosten enthalten muss. § 63 Abs. 2 Satz 3 LJGDVO schreibt eine Kostenentscheidung innerhalb des Vorbescheides vor.

Separate Kostenfestsetzung ist dringend geboten 

Nach der vom Verfasser vertretenen Auflassung ist die separate Kostenfestsetzung in einem zweiten Bescheid zumindest aus praktischer Sicht, wenn nicht gar rechtlich, dringend geboten(1). Hierfür sprechen folgende Gründe:

  1. Im Falle einer gütlichen Einigung nach § 62 LJGDVO kann die Kostenfestsetzung nur schwer bereits in der Niederschrift vorgenommen werden, weil die Kosten häufig noch gar nicht feststehen dürften. Wenn bei dieser ersten Variante der Verfahrensbeendigung die Kostenfestsetzung somit separat erfolgen muss, warum dann nicht auch in der Variante des Vorbescheides?
  2. Ist ein Beteiligter zwar mit der Kostenverteilung, nicht aber mit der Höhe der Kosten einverstanden, muss er die Möglichkeit haben, die Kostenfestsetzung anzufechten. Hier stellt sich die Frage des Rechtsweges. Da der Beteiligte einen Bestandteil des Vorbescheides angreift, könnte man der Auffassung sein, wegen § 31 Abs. 1 Satz 2 LJagdG sei der ordentliche Rechtsweg gegeben! Es ist zweifelhaft, ob der Gesetzgeber dies wollte.
  3. Eine separate Kostenfestsetzung stellt einen Verwaltungsakt dar, der von der festsetzenden Behörde vollstreckt werden kann. Bei Festsetzung der Kosten in Niederschrift oder Vorbescheid müsste (zumindest) die Kostenfestsetzung als ein diesem immanenten Verwaltungsakt angesehen werden, denn niemand wird ernstlich behaupten wollen, die Verwaltung müsse bei der Vollstreckung ihrer Kosten über § 65 LJGDVO vorgehen!

Gegenstand dieser Abhandlung soll die Kostenverteilung sein, auch wenn am Schluss noch einige Sätze zur Kostenfestsetzung angebracht werden.

Gütliche Einigung und Vorbescheid

Zwischen der Kostenverteilung im Rahmen der gütlichen Einigung und der innerhalb des Vorbescheides muss nicht unterschieden werden. § 31 Abs. 2 LJagdG, wo die Kostenverteilung nach Obsiegens-/Unterliegensverhältnis geregelt ist, unterscheidet nicht zwischen diesen beiden Alternativen des Verfahrensabschlusses. Hieraus ergibt sich, dass dieser Verteilungsschlüssel grundsätzlich auch für den Fall der gütlichen Einigung gilt.

Ein Beispiel:
Landwirt L hat fristgerecht einen Wildschaden angemeldet. Weil er den ersatzpflichtigen Jagdpächter J nicht erreicht, teilt er der Behörde dies binnen Wochenfrist mit und gibt die geschätzte Schadenshöhe mit 500 EUR an. J erscheint beim Schätztermin und ist nach Besichtigung des Schadens sofort bereit, die 500 EUR zu zahlen. Er sieht jedoch nicht ein, die von der Verwaltung vorgeschlagene 50:50 Kostenteilung zu akzeptieren, da das gleiche Ergebnis seiner Meinung nach auch ohne die Verwaltung zu erreichen gewesen wäre.

Es sollte zwar im Regelfall so sein, dass die gütliche Einigung sich auch über die Kostentragung erstreckt. Dies muss aber nicht zwingend so sein. Erfolgt keine Einigung, bleibt es beim Grundsatz des § 31 Abs. 2 LJagdG. Im Beispielsfall haben beide weder obsiegt noch sind sie unterlegen. L hat, was er begehrte und J muss nur soviel bezahlen, wie er bereit war! Die 50:50 Quotelung ist somit die gesetzeskonforme Lösung. Bei fehlender Einigkeit muss dann in der Niederschrift vermerkt werden, dass diese Regelung von der Behörde getroffen wurde. Für eine analoge Anwendung des § 93 ZPO, etwa mit der Argumentation, alleine L habe das behördliche Handeln verursacht, bleibt methodisch schon mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum(2). Genau betrachtet besteht auch keine Vergleichbarkeit mit der Situation des § 93 ZPO, denn L trägt wegen der Fristen der § 34 BJagdG und 61 LIGDVO ein im Vergleich zu den allgemeinen Verjährungsvorschriften übergroßes Risiko, seinen Anspruch zu verlieren bzw. schwerer nachweisen zu können.

Bei offensichtlicher Verfahrenserschwerung durch eine Partei steht der Behörde § 15 Abs. 3 Landesgebührengesetz (LGebG) zur Seite, worüber sie der Partei eine zusätzliche Gebühr auflasten kann.

Einem durch solches Verhalten geschädigten Ersatzpflichtigen steht gegebenenfalls ein Anspruch aus § 826 BGB zu.

In der Praxis treten allerdings häufiger Probleme bei der Kostenverteilung im Rahmen des Vorbescheides auf. Quelle der Unsicherheit ist fast ausnahmslos die Formulierung des § 31 Abs. 2 Satz 1 LJagdG:

"Die für das Vorverfahren zu erhebenden Kosten werden den Beteiligten entsprechend dem Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens auferlegt.“

Dabei sollte man für diese vorgegebene Maxime dankbar sein, bestimmt der überwiegende Anteil der Vorschriften anderer Bundesländer lediglich eine Verteilung nach „billigem Ermessen“(3). Eine Formulierung, die geeignet scheint, für noch größere Verunsicherung zu sorgen.

Was heißt: „Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens“?

Nach Empfehlung des Verfassers sollten sich die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter im Regelfall nur auf die Unterliegensanteile konzentrieren, da diese in der Regel das Spiegelbild des Obsiegens darstellen.

Die Unterliegensanteile bestimmen sich beim Geschädigten danach, wieviel er letztlich weniger erhält als ursprünglich begehrt. Beim Ersatzpflichtigen danach, wieviel er mehr bezahlen muss als ursprünglich gewollt.

Hierzu einige Beispiele:

  1. Schätzung liegt oberhalb der Angaben des Geschädigten:
    L gibt bei seiner Mitteilung nach § 61 I S.1 LJGDVO 180 EUR Schaden an. J wäre bereit, 80 EUR zu zahlen. Mangels gütlicher Einigung ermittelt der Wildschadensschätzer einen Betrag von 250 EUR.

    L ist mit 0 EUR unterlegen, denn er hat nicht weniger, als er begehrte. J ist mit 170 EUR unterlegen, denn er muss diesen Betrag über seine anfängliche Bereitschaft hinaus bezahlen! J hat folglich die Kosten alleine zu tragen.

  2. Schätzung liegt unterhalb der Angaben des Geschädigten:

    a) L gibt bei seiner Mitteilung 1000 EUR Schaden an. J wäre bereit, 500 EUR zu zahlen. Der Wildschadensschätzer ermittelt 400 EUR.

    L ist mit 600 EUR unterlegen, denn er erhält entsprechend weniger als begehrt. J ist mit 0 EUR unterlegen, denn er muss weniger bezahlen als gewollt! L trägt die Kosten somit alleine.

    b) L gibt bei seiner Mitteilung 500 EUR Schaden an. J wäre bereit, 100 EUR zu zahlen. Der Wildschadensschätzer ermittelt 400 EUR.

    L ist mit 100 EUR unterlegen. J ist mit 300 EUR unterlegen. Das Unterliegensverhältnis stellt sich mit 1:3 dar. L trägt die Kosten zu 1/4 und J zu ¾.

    c) L gibt bei seiner Mitteilung 500 EUR Schaden an. J ist nicht bereit, dies zu zahlen, macht aber zu seiner Zahlungsbereitschaft keine Angaben. Der Wildschadensschätzer ermittelt 150 EUR.

    L ist mit 350 EUR unterlegen. Da J keine Angaben zu seiner Zahlungsbereitschaf gemacht hat, muss hier von 0 EUR ausgegangen werden. J unterliegt also mit 150 EUR. Das Unterliegensverhältnis stellt sich mit 35:15 dar. Hieraus ergibt sich eine Kostenverteilung von 70:30.

    Ein besonders kniffliger Fall wäre folgender:

  3. Schätzung liegt oberhalb der Angaben des Geschädigten und unterhalb der Angaben des Ersatzpflichtigen:
    L gibt bei seiner Mitteilung 500 EUR Schaden an. J wäre sogar bereit, 800 EUR zu zahlen. Auch L ist mittlerweile davon überzeugt, dass der Schaden deutlich höher ist und lässt sich nicht auf eine gütliche Einigung ein. Der Wildschadensschätzer ermittelt daraufhin 700 EUR.

    Hier ist auf den ersten Blick niemand unterlegen. L hat 200 EUR mehr als begehrt und J muss 100 EUR weniger zahlen als ursprünglich gewollt! Genau betrachtet, drückt L indessen dadurch, dass er sich nicht auf das Angebot von J einlässt, aus, einen Schaden von mehr als 800 EUR zu erwarten. Folglich ist er im Ergebnis mit 100 EUR unterlegen, wogegen J mit 0 EUR unterlegen ist, weil er weniger zahlen muss als ursprünglich gewollt.

    Diese Lösung wird auch dem Veranlasserprinzip bei der Kostenverteilung nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens gerecht(4). Durch die Weigerung, sich auf eine gütliche Einigung einzulassen, hat L die weiteren Amtshandlungen (Schätzung, Niederschrift, Vorbescheid) veranlasst.

    Gegen diese Lösung ließe sich jedoch anführen, dass J mit einer Anerkennung der anfangs mitgeteilten 500 EUR möglicherweise das komplette Verwaltungsverfahren hätte vermeiden können und somit durch die erst im Ortstermin erklärte Bereitschaft, sogar mehr zahlen zu wollen, die bisherigen Amtshandlungen (Ortstermin, Versuch der gütlichen Einigung) ganz alleine verursacht hat.

    Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Mitteilung des L über die Schadenshöhe, ähnlich wie der unbezifferte Klageantrag im Zivilprozess, noch nichts darüber aussagt, dass L sich auch im Ergebnis mit diesem Betrag zufrieden geben wird. Für die gütliche Einigung ist eine erneute Erklärung des L erforderlich, die er mit Unterschreiben der Niederschrift dokumentiert. Schließlich darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das behördliche Feststellungsverfahren letztendlich in erster Linie dem Geschädigten nutzt. Er erhält auf schnellem Wege einen vollstreckbaren Titel.

Die Höhe der Kosten 

Nach § 1 der JagdGV in Verbindung mit lfd. Nr.3 der dazu gehörigen Anlage 1 werden für Wild- und Jagdschadensverfahren Gebühren und Auslagen erhoben.

Zu der Verwaltungsgebühr (42 – 210 EUR) kommen als Auslagen insbesondere die Vergütung des Wildschadensschätzers nach § 60 Abs. 1 Satz 5 LJGDVO i.V.m. §§ 8 ff.. des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG). Neben dem Honorar der Honorargruppe 1 (50 EUR/Stunde), das sich ab der zweiten Stunde halbiert, gehören zur Vergütung auch Fahrtkostenersatz sowie Aufwendungsersatz für ggf. notwendige Kopien, Fotos oder Ausdrucke, etc.

Die Kostenverteilung im gerichtlichen Nachverfahren

Wird gegen den Vorbescheid nach § 31 Abs. 1 Satz 2 LJagdG Klage erhoben, so entscheidet das Gericht auch über die Kostenverteilung. Eventuell der im Gerichtsverfahren obsiegenden Partei entstandene Kosten im Feststellungsverfahren müssen dann von der unterliegenden Partei erstattet werden. Hieraus folgt, dass auf die zuständige Behörde aufgrund des gerichtlichen Nachverfahrens grundsätzlich keine Gebührenerstattungsansprüche zukommen können. Eine unrichtige Kostenverteilung wird zwischen den Streitparteien reguliert.



(1) a.A. offensichtlich Mitzschke/Schäfer, Bundesjagdgesetz, § 35 Rn. 26.
(2) so im Ergebnis auch Mitzschke/Schäfer, § 35, Rn. 30.
(3) Leonhardt, Bauer, Löwia of Menar, Wild- und Jagdschadensersatz, Kap. 14, Ziff 2.5.
(4) zum vergleichbaren Fall der Kostenverteilung nach ZPO: Oberheim, Zivilprozessrecht, § 10 Rn. 63.

Quelle: Gemeinde und Stadt November 2008

Autor: Konrad Holger
Justitiar bei der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz