Einführung eines elektronischen Jagdkatasters (GuSt Oktober 2012)

Einführung eines elektronischen Jagdkatasters (GuSt Oktober 2012)

Für die Führung und Verwaltung einer Jagdgenossenschaft ist ein Jagdkataster (Grundflächenverzeichnis) unverzichtbar. Rechte und Pflichten der Jagdgenossen und entscheidende Abläufe innerhalb der Jagdgenossenschaft sind an die Flächenverhältnisse der einzelnen Grundeigentümer gebunden. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen im Jagdrecht scheint ein vollständiges und aktuelles Jagdkataster entscheidender denn je.

Autor: Georg Bauer (Referent im Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz)

Der Gemeinde- und Städtebund hat die Entwicklung des EDV-Systems Artemis initiiert, das die Erstellung und Führung eines elektronischen Jagdkatasters möglich macht. Die Software Artemis ist nun über die Firma OrgaSoft Kommunal (OSK)/ Saarbrücken erhältlich.

Gesetzliche Grundlagen und Anforderungen

Die Jagdgenossenschaften werden in § 7 Abs. 4 Nr. 2 der Landesverordnung zur Durchführung des Landesjagdgesetzes (LJGDVO) sowie in § 13 Abs. 2 Nr. 2 der Mustersatzung für Jagdgenossenschaften (Anlage 1 zur Verwaltungsvorschrift zum Landesjagdgesetz) zur Führung eines Jagdkatasters verpflichtet.

Für jede Grundfläche des Jagdbezirks muss eine Feststellung über die Bejagbarkeit getroffen werden, da nach dem Landesjagdgesetz (LJG) Eigentümer von Grundflächen, auf denen die Jagd ruht, der Jagdgenossenschaft nicht angehören (§ 11 Abs. 1 LJG). Darunter fallen regelmäßig die bebauten Siedlungsflächen mit Haus- und Hofräumen sowie Hausgärten und gegebenenfalls weitere Flächen.

Das Jagdkataster muss außerdem Auskunft geben über die Größe der bejagbaren Fläche des Jagdbezirks sowie den Flächenanteil jedes einzelnen Jagdgenossen. Nach § 11 Abs. 4 LJG bedürfen die Beschlüsse der Jagdgenossenschaftsversammlung der doppelten Mehrheit, das heißt neben der Stimmenmehrheit auch der Flächenmehrheit der abstimmenden Jagdgenossen. Die obligatorische Niederschrift über den Ablauf einer Genossenschaftsversammlung muss für die einzelnen Beschlüsse das Abstimmungsergebnis hinsichtlich Personen- und Flächenstimmen protokollieren (§ 5 Abs. 5 Mustersatzung für Jagdgenossenschaften).

Außerdem richten sich die Anteile der einzelnen Jagdgenossen an Nutzungen und Lasten der Jagdgenossenschaft, insbesondere der anteilige Reinertrag, jeweils nach der Größe der bejagbaren Grundfläche im Jagdbezirk (vgl. § 12 Abs. 2 LJG und § 15 Abs. 1 Mustersatzung für Jagdgenossenschaften). Die Verpflichtung der Genossenschaft, ein Jagdkataster anzulegen und zu führen, wird durch die einschlägige Rechtsprechung bestätigt. Erst dadurch werde es der Jagdgenossenschaft möglich, einen Überblick über den Jagdbezirk zu gewinnen und bei Zweifeln hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse in der Jagdgenossenschaftsversammlung auf eine Kontrolle zurückgreifen zu können (OVG NRW, 17.09.1985 und VG Minden, 24.01.1986).

Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit einem Urteil vom 26.06.2012 festgestellt, dass die in Deutschland per Jagdrecht vorgesehene Zwangsmitgliedschaft von Grundeigentümern in Jagdgenossenschaften nicht rechtmäßig ist. Folglich wird es, nach erforderlichen Anpassungen des Bundesjagdrechtes und des rheinland-pfälzischen Landesjagdrechtes, möglicherweise zu Einschränkungen der Bejagung einzelner Grundflächen durch die jeweiligen Grundeigentümer kommen. Auch wenn die rechtliche Ausgestaltung des Urteils derzeit noch nicht absehbar ist, scheinen solide Informationen über die Jagdgenossen und den Umfang ihrer Flächenverhältnisse auf Seiten der Jagdgenossenschaft auch vor diesem Hintergrund unabdingbar.

Wegen der dargestellten grundsätzlichen Bedeutung für die Jagdgenossen bei der Ausübung ihrer Rechte muss das Jagdkataster nach seiner Aufstellung oder Änderung zur Einsichtnahme ausgelegt werden (§ 15 Abs. 2 Mustersatzung für Jagdgenossenschaften). Dadurch ist den einzelnen Jagdgenossen Möglichkeit gegeben, die sie betreffenden Einträge zu prüfen und Einspruch gegen eventuelle Unrichtigkeiten zu erheben.

Erstellung und Aktualisierung

Für das Jagdkataster kann seitens der Gemeinden auf die vorliegenden Geobasisinformationen der Vermessungs- und Katasterverwaltung Rheinland-Pfalz zurückgegriffen werden. Mit Schreiben vom 14.11.2006 sowie in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage (LT-Drs. 16/1305) geht das  rheinland-pfälzische Innenministerium auf die Nutzung von Geobasisinformationen durch die Jagdgenossenschaften im Rahmen einer Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden ein. Demnach können die für die Gemeinden kostenfreien Geobasisinformationen ohne die Berechnung gesonderter Kosten verwendet werden, sofern die Geschäfte der Jagdgenossenschaft durch die Kommunalverwaltung geführt werden (Übertragung der Verwaltungsgeschäfte auf die Gemeinde nach § 11 Abs. 7 LJG). Diese Geobasisinformationen (Katasterdaten) stellen jedoch für sich allein genommen noch kein brauchbares Jagdkataster im beschriebenen Sinne dar.

Erforderlich ist eine Abgrenzung der bejagbaren Flächen, da nur die Eigentümer bejagbarer Flächen Mitglieder der Jagdgenossenschaft sind. Der wesentliche und aufwendigste Schritt bei der Erstellung eines Jagdkatasters besteht folglich in der Abgrenzung der einzelnen Grundflächen nach der Bejagbarkeit (bejagbare und nicht bejagbare Flächen) und der Überprüfung der korrekten und vollständigen Erfassung der Grundflächen entlang der Jagdbezirksgrenzen.

Dabei gelingt die Abgrenzung einfach und schnell in der freien Flur (landwirtschaftliche Flächen und Wald; in der Regel bejagbare Flächen) und innerhalb der Siedlungsflächen (in der Regel „befriedete Bezirke“ kraft Gesetzes, das heißt nicht bejagbare Flächen). Deutlich schwieriger fällt es dagegen meist in den Übergangsbereich dazwischen. In manchen Fällen kann die Abgrenzung sogar durch ein Flurstück verlaufen, wenn sich nur Teilbereiche als bejagbar herausstellen. Darüber hinaus können weitere Grundflächen als befriedete Bezirke und damit als nicht bejagbare Flächen gelten wie etwa Friedhöfe oder im Einzelfall auch Sport- und Golfplätze (vgl. § 8 Abs. 2 und 3 LJG).

Die laufende Führung und Pflege des Jagdkatasters beschränkt sich dagegen im Wesentlichen auf die Aktualisierung der Eigentümerverhältnisse (Grundstücksverkäufe, Erbfälle etc.). In weniger häufigen Fällen werden Änderungen in der Abgrenzung der bejagbaren Flächen erforderlich sein (z.B. Bebauung von Neubaugebieten, Befriedung einzelner Grundflächen durch die Jagdbehörden) oder gar des Jagdbezirks (Abrundungen durch die Jagdbehörden). Nach jeder Änderung des Jagdkatasters, spätestens jedoch vor einer nachfolgenden Genossenschaftsversammlung, sollte die rechtzeitige Auslegung zur Einsichtnahme durch die Jagdgenossen erfolgen. Nur dann kann das Jagdkataster gültig festgestellt vorliegen, seinem Zweck gerecht werden und zu reibungslosen Abläufen in der Jagdgenossenschaft beitragen.

Elektronisches Jagdkataster der Firma OSK

Das Erstellen und Führen eines Jagdkatasters stellt die Jagdgenossenschaften vielerorts vor erhebliche Probleme. Nicht selten bestehen deutliche Mängel hinsichtlich der Vollständigkeit und der Aktualität der Daten.

Der Gemeinde- und Städtebund hat vor diesem Hintergrund über seinen Fachbeirat „Forst und Jagd“ die Entwicklung eines EDV-Systems zur zeitgemäßen Aufstellung und Führung eines Jagdkatasters initiiert, welches den Kommunalverwaltungen nun zur Verfügung steht. „Artemis“ ist grundsätzlich mandantenfähig, das heißt, es können mehrere Jagdgenossenschaften parallel verwaltet werden.

Zunächst werden aus den vorliegenden Geobasisinformationen der Landesvermessungsverwaltung die Jagdkataster der einzelnen Jagdbezirke erzeugt. Dazu erfolgt die schon erwähnte Abgrenzung der bejagbaren Flächen und die Überprüfung der Jagdbezirksgrenzen, was grundsätzlich vor Ort erfolgen muss, unter Zuhilfenahme von Luftbildern und geografischen Informationssystemen (GIS). Eine örtliche Inaugenscheinnahme einzelner Grundstücke dürfte dadurch nur ausnahmsweise in besonders schwierigen Fällen erforderlich sein.

Eine Aktualisierung des Jagdkatasters, das heißt insbesondere der Eigentumsverhältnisse an den einzelnen Grundflächen, erfolgt durch einen Abgleich geänderter Geobasisinformationen mit Hilfe des EDV-Programms. Erkannte Änderungen bezüglich der Eigentümerverhältnisse müssen jedoch, ebenso wie Änderungen hinsichtlich der Bejagbarkeit einzelner Grundflächen, örtlich in das elektronische Jagdkataster übernommen werden.

Neben der Erstellung und Aktualisierung des Jagdkatasters soll „Artemis“ Hilfestellung für typische Anwendungen des Jagdkatasters anbieten. So kann das eigentliche Jagdkataster für anstehende Jagdgenossenschaftsversammlungen vorbereitet werden, um dort einen schnellen Überblick über Anwesenheit der Mitglieder, Stimmverhältnisse und erleichterte Anfertigung der Niederschriften leisten zu können. Über Suchfunktionen können die Eigentumsverhältnisse von Jagdgenossen oder Flurstücken überprüft werden. Durch eine Verknüpfung der Reinertragsberechnung mit dem Jagdkataster wird eine automatisierte Aufstellung von Auskehrungs- und Umlagelisten ermöglicht.

Durch die Erfassung und Abgrenzung der bejagbaren Grundflächen des Jagdbezirks steht darüber hinaus eine aktuelle und flurstücksscharfe Karte des Jagdbezirks zur Verfügung, welche sogar mit Luftbildern hinterlegt werden kann. Im Zusammenhang mit einer Jagdverpachtung und dem erforderlichen Jagdpachtvertrag (erforderlicher Lageplan des Jagdbezirks, Teilverpachtung von „Jagdbögen“) dürfte das von zusätzlichem Nutzen sein, die Rechtssicherheit erhöhen und einen professionellen Eindruck hinterlassen.

Das Programm ist ab sofort für die Kommunalverwaltungen bei der OSK verfügbar. Die Software „Artemis“ und die Erstellung und Führung eines elektronischen Jagdkatasters werden Anfang November unserem Fachbeirat „Forst und Jagd“ in der Villa Belgrano in Boppard vorgestellt.