Bericht des Vorsitzenden Oktober 2016


Zwar "sind Prognosen", einem Bonmot zu Folge, "immer unsicher, weil sie die Zukunft betreffen", so ist es dennoch spannend, sich mit den großen Themen und Trends auseinanderzusetzen, die unseren Alltag  und damit auch Gemeinden und Städte verändern. Aufgrund der Bedingungen der Wissens-, Informations- und Kommunikationsgesellschaft und der großen Mobilität der Menschen weltweit, beschleunigen sich die Veränderungsprozesse immer und stellen uns vor ständig wechselnde Herausforderungen.

Aktuelles Beispiel ist die große Fluchtbewegung, die wir seit einigen Jahren erleben.

Millionen Menschen haben sich in Bewegung gesetzt, um Krieg, Verfolgung und Not zu entfliehen. Aktuell ist der Bürgerkrieg in Syrien der Auslöser der Bewegung, aber jedem, der die Lage der Menschen in anderen Teilen der Erde mit offenen Augen  - durch Internet und Fernsehen - sieht , muss erkennen, wenn sich nichts verändert, wird dies erst der Anfang sein...

Für unsere Städten und Gemeinden haben sich dadurch im vergangenen Jahr die Prioritäten verändert. Die Verwaltungen mussten kurzfristig Wohnraum beschaffen, die Versorgung mit Gütern des Alltags für die Menschen organisieren und vieles mehr. Das haben wir allen Unkenrufen zum Trotz insgesamt gut bewältigt.

Für die Zukunft ergeben sich aber weitere Aufgaben, die uns noch Jahre beschäftigen werden:

Die Menschen, die hier bleiben können, müssen in unsere Gesellschaft integriert werden. Sie müssen unsere Sprache lernen, unsere Kultur kennen und leben lernen, Arbeit finden, die Jugendlichen und Kinder ausgebildet, Erwachsene geschult werden.

Dies alles findet in unseren Gemeinden und Städten statt und erfordert persönlichen und finanziellen Einsatz in Verwaltung und im sozialen Gemeinwesen, wenn die Menschen nicht in "Parallelgesellschaften" mit all ihren negativen Folgen "abwandern" sollen. Das ist nicht nur eine Frage der Sozialverwaltung, sondern reicht weit darüber hinaus. Deshalb fordern wir für unsere Gemeinden und Städte  finanzielle Unterstützung von Bund und Land ein.

Konkret bedeutet das: Die Integrationsmittel, die der Bund jetzt den Ländern für die Kommunen zur Verfügung stellt, gehören in die Kassen von Gemeinden und Städten, denn dort wird vor Ort Integration erfolgreich gestaltet oder sie findet eben nicht statt!

Ein anderes Thema, ein anderer Trend ist der Klimawandel.

Auf internationaler Ebene werden wichtige Verträge geschlossen, um die Erderwärmung zu begrenzen. Allen ist klar, um diese Ziele zu erreichen, brauchen wir mehr Energie aus erneuerbaren Quellen. Wind, Sonne, Wasser und Biomasse heißen die Energieträger der Zukunft und diese müssen vor Ort genutzt bzw. erzeugt werden. Hier muss lokal gehandelt werden, um ein globales Problem zu lösen, und das ist nicht immer bequem!

Nach der Energiewende haben sich viele Gemeinden/Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz auf den Weg gemacht, um ihren Beitrag insbesondere über den Ausbau der Windenergieanlagen zu leisten. Für teures Geld (bis zu 750.000 € im Einzelfall)  und in langwierigen Verfahren (es müssen ja alle naturschutzfachlichen Aspekte und umweltrelevanten Fragen zu Recht sorgfältig geprüft, erörtert und abgewogen werden - und das kann im Einzelfall, nein in vielen Fällen, bei flächengroßen Verbandsgemeinden durchaus fünf Jahre und länger dauern) wurden Flächennutzungspläne überarbeitet, ergänzt und beschlossen, "Solidarpakte" geschlossen und Grundstücke zu Verfügung gestellt. Alles auch dem ausdrücklichen politischen Willen des Landes folgend!

Das bedeutet vor Ort nicht zu unterschätzende politische und gesellschaftliche Konflikte, die gelöst werden mussten und müssen. Aber: sie werden gelöst – auch wenn nicht jeder applaudiert; das ist nun einmal so, wenn man Verantwortung übernimmt!

Nun scheint die Politik aber das "lokale Handeln", das sie selbst eingefordert hatte, nicht mehr zu wollen, ohne andere Lösungen anbieten zu können. Für mich ist es unverständlich und unverantwortlich, dass wegen kurzfristiger politischer Ziele, langfristige Aufgaben aus dem Auge verloren werden und die Spielregeln für die Gemeinden verändert werden. Man kann ja für und gegen Windkraftanlagen sein, sie verschönern unsere Landschaft sicher nicht, aber verantwortliche Energiepolitik wird ohne sie nicht auskommen!

Wichtiger aber sind mir  die fatalen Signalwirkungen, die die Entscheidung der Landesregierung, die Bedingungen für die Windkraft im LEP IV zu verändern, ohne dass eine der Dauer kommunaler Planungsverfahren Rechnung tragende "Übergangsregelung " beschlossen wird.

Wer soll denn künftig vor Ort noch planen, wenn diese langwierigen und teuren Prozesse kurzfristig kassiert werden! "Wer melkt schon gerne in einen Korb?" Bei Planungsprozessen ist langfristiges Denken gefragt - auch von der Landesregierung - selbst wenn sie sich neu gebildet hat!

Deshalb fordern wir in dieser Frage eine angemessen lange Übergangsregelung für die Gemeinden, die sich in dieser Frage auf einen langen und teuren Weg gemacht haben, im Vertrauen darauf, einen wichtigen Zukunftsbeitrag für unser Land zu leisten!

Liebe Leserinnen und Leser, Sie sehen: Trends haben Wirkungen vor Ort, stellen uns vor neue Herausforderungen als Gemeinde, Stadt und als Gemeinde- und Städtebund. Auf unserer Mitgliederversammlung stellen wir uns den Trends der Zukunft. Seien sie dabei, um lokal, in Ihrer Gemeinde, Ihrer Stadt Zukunft gestalten zu können.

Herzlichst
Ihr
Aloysius Söhngen


GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 10/2016

Aloysius Söhngen
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes